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Vertrauenswürdige Datenräume sind das Gebot der Stunde?!

Von Martin Holland

Dieser Tage fiel mir ein Artikel aus dem Jahr 1996 in die Hände, der die Frage aufwarf, ob das WWW sich als Basis für betriebliche Anwendungen eignet. Ich denke, in der Retrospektive ist die Antwort klar. Heute stellt sich die Frage, ob Datenökosysteme und vor allem vertrauenswürdige Datenökosysteme die gleiche disruptive Wirkung auf unsere Wirtschaft haben werden wie das WWW, und ich wage die Prognose, ja, dass sie das werden.

Es gibt rund um Gaia-X zahlreiche Initiativen und Leuchtturmprojekte mit dem Ziel, die Grundlagen offene, vertrauenswürdige Datenökosysteme zu schaffen: Catena-X soll die Akteure in der Automobilindustrie in die Lage versetzen, sich so einfach, sicher und unabhängig wie nie zuvor in globalen Wertschöpfungsketten zu organisieren. Aufbauend auf den Ergebnissen von Gaia-X und Catena-X soll der Manufacturing-X-Datenraum dies für die übrige Fertigungsindustrie ermöglichen.

Gemeinsam ist all diesen Initiativen die Vision, Deutschland und Europa datentechnisch unabhängiger von den großen amerikanischen Playern zu machen. Der Anspruch ist Datensouveränität: Wer Daten zur Verfügung stellt, behält die Kontrolle und entscheidet individuell, wer am Datenaustausch wie, wann, wo und unter welchen Bedingungen beteiligt wird.

Unbestreitbar brauchen wir in Europa mehr Datenhoheit und digitale Souveränität, um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen. Die Digitalisierung ist ein Teufelskreis - sie bringt einerseits immer mehr digitale Daten hervor, braucht aber auch immer mehr Daten, um optimal funktionieren zu können. Allein die virtuelle Absicherung hoch automatisiert fahrender Fahrzeuge erfordert riesige Mengen an Fahrzeug- und Umgebungsdaten, um alle erdenklichen Fahrsituationen simulieren zu können.

Daten-Sharing ist also das Gebot der Stunde. Um unsere Wertschöpfungsketten robuster und unsere Fertigungsprozesse nachhaltiger zu machen, brauchen wir den Zugriff auf die Daten von Kunden, Entwicklungspartnern, Zulieferern, um sie mit unseren Daten verknüpfen zu können. Es macht deshalb grundsätzlich Sinn, seine Daten anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, um im Gegenzug die Daten der anderen nutzen zu können. Zum Beispiel für das Training von Anwendungen der Künstlichen Intelligenz.

Eine der Herausforderungen beim Aufbau dieser Datenökosysteme ist es, alle Beteiligten von den Vorteilen des multilateralen Daten-Sharings zu überzeugen. Aus diesem Grund sollen die Nutzenpotenziale der Datenräume in den einzelnen Leuchtturmprojekten durch mehrere, branchenspezifische Anwendungsbeispiele untermauert werden.

Ein Beispiel ist die Nutzung der Werkzeugmaschinendaten von Kunden für die KI-unterstützte Optimierung der Prozessparameter, die der Hersteller dann allen Kunden gegen Entgelt zur Verfügung stellt, wobei die gebenden Unternehmen einen entsprechenden Rabatt erhalten.

Mehr über den Nutzen dieser Datenräume erfahren Sie im Interview mit Ulrich Ahle.

Leuchtturmprojekte und Anwendungsbeispiele reichen allein nicht aus, um interoperable Datenökosysteme zu etablieren. Das Daten-Sharing muss auch technisch und semantisch ermöglicht werden, was entsprechende Werkzeuge und Standards voraussetzt. Gaia-X, Catena-X und Manufacturing-X sollen deshalb auch die technischen, semantischen und rechtlichen Grundlagen für die Interoperabilität in komplexen Wertschöpfungsnetzwerken legen.

Voraussetzung für die Interoperabilität ist außerdem ein gemeinsames Verständnis der Nutzungs- und Zugriffsrechte auf die Daten. Datenhoheit bedeutet, dass der Datenanbieter entscheidet, welche Daten mit welchen Nutzungs- und Zugriffsrechten er welcher Nutzergruppe zugänglich machen will. Deshalb müssen neben den eigentlich Nutzdaten auch immer mehr Metadaten und vertragliche Informationen in einer für alle verständlichen Form ausgetauscht werden. Dazu wurde unter anderem der Eclipse Dataspace Connector (EDC) entwickelt, der auf den Modellen der Asset Administration Shell (AAS) aufsetzt. Die AAS beschreibt das Asset- z. B. eine Maschine oder eine Steuereinheit in einer standardisierten, maschinenlesbaren Form und enthält alle relevanten Informationen über das Asset, wie Identifikationsdaten, technische Spezifikationen, Zustandsinformationen und möglicherweise auch Dienste, die mit dem Asset verbunden sind

Als Spezialist für die Systemintegration und den Datenaustausch wollen wir Ihnen natürlich zukünftig auch Lösungen bieten, wie Sie Datenökosysteme in Ihre Unternehmensprozesse integrieren können. Um unsere Lösungen praxisnah zu entwickeln, haben wir im Rahmen von Manufacturing-X gemeinsam mit Partnern ein Förderprojekt beantragt. Ziel des Projekts ist es, unter Nutzung geteilter Datenräume eine systematische und flexible Entscheidungsunterstützung für die Produktplanung und -entwicklung bezüglich der Nachhaltigkeit eines Produktes und der gesamten Wertschöpfungskette zu ermöglichen. Dazu werden Methoden der Nachhaltigkeitsbewertung um prädiktive KI-basierte Auswirkungsanalysen erweitert.

Wir werden in diesem Projekt, einen EDC-Connector entwickeln, der unsere Integrationsplattform OpenPDM und die daran angeschlossenen PLM-, ERP- und ALM-Systeme mit Manufacturing-X und anderen auf Gaia-X-basierten Datenökosystemen wie Catena-X verbindet. Sobald das Projekt bewilligt ist, werden wir Sie genauer informieren.

Ich wünschen Ihnen viel Erfolg beim Einsatz der Datenökosysteme!

Ihr Martin Holland

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