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Blaupause für die Integration von MBSE und PLM

Ein Interview mit Martin Eigner und Walter Koch

Drei Jahre lang haben 12 Unternehmen und Forschungseinrichtungen im Rahmen des vom BMBF geförderten Verbundsprojekts mecPro² untersucht, wie der modellbasierte Entwicklungsprozess für cybertronische Produkte und Produktssysteme aussehen könnte. Prof. Dr. Martin Eigner, Initiator des Projekts, und Konsortialführer Dr. Walter Koch von der Schaeffler Gruppe erläutern die wichtigsten Erkenntnisse.

Frage: Herr Prof. Eigner, Sie haben ja schon manches Forschungsprojekt realisiert. Was war das Besondere an mecPro², abgesehen von der Größe des Projekts?

Eigner: Ich erinnere mich an kein Projekt mit so vielen Teams, bei denen ich am Anfang ehrlich Angst hatte, dass jeder isoliert vor sich hin arbeitet. Diese Angst hat sich gelegt, als wir angefangen haben, unsere Ideen in den beiden Demonstratoren konkret umzusetzen. Plötzlich war die ganze Mannschaft begeistert, weil sie gesehen hat, dass es tatsächlich funktioniert. Die Demonstratoren sind deshalb für mich das Besondere an dem Projekt.

Frage: Der Start des Projekts war ziemlich zäh, wie Sie, Herr Dr. Koch, eben erwähnt haben. Was waren die wesentlichen Schwierigkeiten?

Koch: Die Antragsphase hat mehr als anderthalb Jahre gedauert. Das hatte zur Folge, dass viele Experten, die dabei eingebunden waren, mit dem Beginn des Projektes nicht mehr zur Verfügung standen. Als wir dann loslegt haben, stellten wir fest, dass die nun Beteiligten sehr unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungshaltungen hatten. Wir mussten uns zum Beispiel erst mal auf ein gemeinsames Verständnis des Begriffs "cybertronische Produkte" einigen, weil wir sonst aneinander vorbeigeredet hätten. Ich bin aber der festen Überzeugung, dass diese Klärung einer der Erfolgsfaktoren des Projekts war, ohne den wir nachher nicht so schnell vorangekommen wären und so viele Ergebnisse produziert hätten.

Frage: Sie haben in dem Projekt viele Handlungsfelder abgedeckt, von der Definition eines Referenzprozesses bis zur PLM-Integration des Model Based Systems Engineerings (MBSE). In welchem gab es denn die größten Durchbrüche?

Eigner: Die PLM-Integration war eher Handwerkszeug. Wir haben da einfach die bewährten Methoden für logische Verknüpfungen aus der Elektrotechnik und Elektronik übertragen. Die Aufnahme der bestehenden Mechatronik-Prozesse hingegen war eine echte Sisyphusarbeit. Sie liefert eine Blaupause für jede Firma, die interdisziplinäre Prozesse aufsetzen möchte. Das wichtigste Ergebnis war in meinen Augen die Beschreibungssystematik, d. h. die Art, wie wir cybertronische Produkte und Produktionssysteme in SysML beschrieben haben, weil sie in die Normung von OSLC und anderen Standards einfließen wird. Wir haben es geschafft, aus neun unterschiedlichen Systematiken das Beste herauszufiltern.

Frage: Wenn ich das richtig verstehe, geht es um die Art, wie mit SysML modelliert wird. Eine Art "Kochbuch"?

Eigner: Richtig, es ist eine Methodik, um SysML dadurch besser anwendbar zu machen, dass man die Vielzahl an Artefakten einschränkt. Man kann die Systematik in Form eines Profils in den Editor einlesen und dann funktionieren auch nur noch diese Elemente.

Frage: Der Referenzprozess sieht auf dem Papier sehr fein granuliert aus. Haben Sie den in Ihrer Organisation schon umgesetzt?

Koch: Nein, noch nicht. Wir haben aber einige bewährte Aspekte aus unseren gegenwärtigen Produktentstehungsprozess für mechatronische Produkte in das Projekt für den Referenzprozess eingebracht, z. B. die modulare Struktur. Da der Referenzprozess des mecPro²-Projekts eine ähnliche Grundstruktur hat, haben wir jetzt die Möglichkeit, die neuen Prozessmodule, die in mecPro² entstanden sind, relativ einfach in unseren Schaeffler-PEP einzubinden.

Frage: Herr Prof. Eigner, Sie sagten eben, die PLM-Integration sei nur Handwerkszeug, aber genau da gibt es noch viele offene Fragen und fehlende Standards. Sind Sie da nicht weitergekommen?

Eigner: Doch, sehr wohl. Im Rahmen des Projekts haben wir ein Teilprojekt ausgelöst, das sich KRAKE nennt und, ähnlich wie OSLC, mit der REST-Technologie arbeitet. Sie ermöglicht es, Informationselemente wie Internetseiten zu verlinken. Ich wundere mich nur, warum es 17 Jahre gedauert hat, bis dass jemand diese Technologie für die PLM entdeckt hat. Damit haben die PLM-Monolithen eigentlich keine Zukunft mehr, denn man braucht nicht mehr alles zwanghaft in eine zentrale Datenbank zu packen.

Frage: Wie wird sich denn die PLM-Landschaft bei Schaeffler durch mecPro² verändern?

Koch: Das ist eine schwierig zu beantwortende Frage, denn das Projekt ist ja noch nicht mal abgeschlossen. Wir führen intern gerade die Diskussion, wie wir die Ideen aus dem Projekt basierend auf unseren eingeführten IT-Tools umsetzen können. Unsere Vorstellung geht dahin, eine leichtgewichtige Schicht darüber zu legen, in der die Informationen nicht kopiert, sondern einfach nur verlinkt werden.

Frage: Eine Abschlussveranstaltung wie die hier in Herzogenaurach reicht nicht aus, um die Ergebnisse einer größeren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Was gibt es diesbezüglich für Pläne?

Eigener: Wir schreiben gerade statt des normalen Abschlussberichtes ein Buch, das Ende des Jahres auf den Markt kommen wird. Wir wollen die Informationen so breit wie möglich streuen, denn das Interesse ist groß. Das beweist allein die hohe Teilnehmerzahl an der Abschlussveranstaltung, die mich echt beeindruckt hat.

Frage: Wie sieht das aus Sicht von Schaeffler aus? Die Projektergebnisse sind ja durchaus ein Wettbewerbsvorteil. Sind Sie denn bereit, die zu teilen?

Koch: Es gibt einen Konsortialvertrag, an dem die Juristen aller Partner mitgewirkt haben, in dem klare Regeln für die Veröffentlichung der Ergebnisse festgelegt wurden. An die sind wir natürlich gebunden. Das Ideale wäre natürlich, wenn man die Ergebnisse in einer komplett neuen IT-Lösung implementieren könnte.

Frage: Was hat der Chef eines mittelständischen Unternehmens von dem Projekt? Wie kann er das in seinem Betrieb umsetzen?

Eigner: Wir von der TU Kaiserslautern sind in der glücklichen Lage, dass wir gleichzeitig Mitglied des vom BMWi geförderten Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums sind. Das ist kein wissenschaftliches Forum, sondern ein Forum für den Technologietransfer. Wir haben dadurch viele Kontakte zu Mittelständlern, mit denen wir solche Themen diskutieren, auch wenn wir das nicht immer Industrie 4.0 nennen. Da finden wir immer wieder Firmen mit tollen Produkten, die oft schon Sensoren haben, ohne ihr Potenzial voll auszuschöpfen. Für einen der Marktführer im Lichtbogenschweißen haben wir z. B. ein neues Servicekonzept entwickelt, wie er mithilfe der Sensordaten einerseits Ausfälle frühzeitig erkennen und andererseits seine Kunden bei der Optimierung der Schweißprozesse unterstützen kann.

Frage: Wie praxistauglich sind die Demonstratoren, in die die Projektergebnisse eingeflossen sind? Werden wir so etwas in absehbarer Zeit auch bei Schaeffler sehen?

Koch: Wir werden wahrscheinlich keinen neuen Systemhersteller in unsere IT-Landschaft integrieren, aber da die Methoden übertragbar sind, werden wir sie an unsere Tool-Vendoren weitergeben. Wir diskutieren mit ihnen, welches unsere Kernanforderungen sind und wo sie sich bzw. ihre Systeme weiter entwickeln müssen. Es gibt da aufseiten der Systemhersteller noch viel zu tun.

Eigner: Aber wir haben zumindest eine Blaupause. Insbesondere das was CONTACT und SIEMENS umgesetzt hat, ist ein gutes Beispiel dafür, wie so etwas integriert werden kann.

Frage: Hat mecPro² den Nachweis erbracht, dass die heutigen PLM-Systeme in der Lage sind, sich zu Systems-Lifecycle-Management-Systemen weiterzuentwickeln?

Koch: Nein, so pauschal kann man das nicht sagen. Manche PLM-Hersteller, deren Systeme eine bestimmte Architektur haben, sind in der Lage, diese Funktionalität hinzuzufügen. Und CONTACT ist sicher einer davon.

Eigner: Ich meine auch, dass die Aussage so pauschal falsch ist. Sonst würde ich mir ja auch widersprechen, denn ich habe gerade einen Vortrag darüber gehalten, dass die PLM-Systeme sich komplett ändern müssen, um den Anforderungen der Zukunft gerecht zu werden.

Frage: Was müssen die PLM-Hersteller zum Beispiel ändern?

Eigner: Was gar nicht mehr geht, ist das Geschäftsmodell mit teuren Lizenzverkäufen, Wartungsgebühren etc. und wenn der Kunde dann nach zwei Jahren eine neue Version bekommt, zahlt er noch mal ein Drittel bis die Hälfte der Kosten, um das ganze Customizing nachzuziehen. Das ist absolut anachronistisch und liegt nur daran, dass die Datenmodelle intern nicht sauber verwaltet werden. Moderne PLM-Systeme verwalten das modifizierte Datenmodell im Repository und können dadurch nachvollziehen, was der Kunde bekommen hat und was nachträglich customiziert wurde. Und sie machen bei Erweiterungen des Datenmodells Vorschläge, wie die neuen Objekte im GUI abgebildet werden könnten, sodass man die Bedienoberfläche nicht immer komplett neu zu programmieren braucht.

Meine Herren, ich danke für das Gespräch.

(Das Interview führte Michael Wendenburg)

Zur Person
Professor Dr.-Ing. Martin Eigner leitet seit 2004 den Lehrstuhl für Virtuelle Produktentwicklung (VPE) der TU Kaiserslautern. Er forscht auf den Gebieten Product und System Lifecycle Management, Industrie 4.0 bzw. Industrial Internet, Model-Based Systems Engineering und Product Line Engineering.

Dr. Walter Koch war bislang für die Forschungs- und Entwicklungsprozesse bei der Schaeffler AG zuständig. Künftig wird er die Verantwortung für die Vorentwicklung von Prozessen, Methoden und Tools bei dem Automobilzulieferer übernehmen. Koch war Konsortialführer des mecPro²-Projekts.

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