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DNV und PROSTEP entwickeln 3D PDF-Lösung für die Bauaufsicht im Schiffbau

Von Matthias Grau

Seit Jahren suchen Klassifikationsgesellschaften und Werften nach Wegen, um von der Zeichnung wegzukommen und den Class Approval-Prozess und Prozesse wie die Bauaufsicht modellbasiert zu machen. Jetzt unternimmt DNV mit Unterstützung von PROSTEP einen neuen Anlauf: Gemeinsam entwickeln wir eine Lösung, um den Prüfer*innen die 3D-Modelle der Rumpfstruktur in einem offline nutzbaren 3D PDF-Container bereitzustellen.

Mit rund 13.000 Mitarbeitenden und einem Umsatz von mehr als 25 Milliarden NOK ist DNV die weltweit führende Klassifikationsgesellschaft für die maritime Industrie. DNV hat seinen Hauptsitz in Høvik vor den Toren Oslos, ist in über 100 Ländern vertreten und in sechs Geschäftsbereiche unterteilt: Maritime, Energy Solutions, Digital Solutions, Supply Chain & Product Assurance, Business Assurance und The Accelerator.

Der Geschäftsbereich Maritime von DNV, in dem weltweit rund 3.300 Mitarbeitende beschäftigt sind, ist unter anderem für die Klassifizierung von Schiffen und mobilen Offshore-Anlagen zuständig. Klassifikationsgesellschaften wie DNV entwickeln technische Standards für den Entwurf, den Bau und die Vermessung von Schiffen und führen Besichtigungen an Bord von Schiffen durch. Mit der Zulassung einer Klassifikationsgesellschaft können Reedereien eine Versicherung für ihre Schiffe abschließen und die Erlaubnis erhalten, bestimmte Häfen anzulaufen oder Seegebiete zu durchfahren.

Um die Class Approval zu erhalten, schicken die Werften bislang große Mengen an großformatigen Zeichnungen an den DNV oder andere Klassifikationsgesellschaften, die anhand der Unterlagen prüfen, ob die Schiffe den Belastungen auf See standhalten werden und die gesetzlichen Vorschriften zu Themen wie Sicherheit und Emissionen einhalten.

Der DNV bemüht sich seit Jahren darum, diesen Prozess stärker zu digitalisieren und die Zeichnungen durch 3D-Modelle mit Annotationen zu ersetzen. Im Rahmen des Konsortialprojekts APPROVE hat das Unternehmen zusammen mit führenden Herstellern von schiffbauspezifischen CAx-Systemen OCX (Open Class 3D Exchange Format) entwickelt, ein Neutralformat für den Austausch von 3D-Modellen und Metadaten der Schiffsstruktur. OCX enthält alle für die Klassifikation erforderlichen Informationen. Um die Weiterentwicklung und Industrialisierung des Standardformats kümmert sich seit Abschluss des Projekts das neu gegründete OCX-Konsortium.

Werkzeug für den digitalen 3D Site Survey

Das Entwicklungsprojekt mit PROSTEP ist gewissermaßen die logische Konsequenz aus der OCX-Initiative, wie Ole Christian Astrup, Senior Principal Specialist bei DNV Maritime sagt. „Die Werften beauftragen uns nicht nur mit der Klassifikation, sondern auch mit der Bauaufsicht in der Bauphase. Wenn wir mit ihnen künftig keine Zeichnungen mehr austauschen, sondern annotierte 3D-Modelle, müssen wir uns auch darüber Gedanken machen, wie wir diese 3D-Modelle für die Folgeprozesse auf der Baustelle nutzbar machen. Die Herausforderung besteht darin, den Prüfer*innen ein Werkzeug für den zeichnungslosen 3D Site Survey an die Hand zu geben, das sie in einem großen Stahlkäfig nutzen können, der schmutzig und ziemlich dunkel ist, und in dem es oft keine Mobil- oder Netzwerkverbindung gibt.“

Die Prüfer*innen (Surveyor) überwachen den Bauprozess auf der Werft und stellen sicher, dass das Schiff so gebaut wird, wie es geplant und von den Expert*innen für die Class Approval genehmigt wurde. Dazu unterhält der DNV üblicherweise ein kleines Büro auf dem Werftgelände mit einem Team von drei bis fünf Mitarbeitenden. Grundlage für ihre Arbeit sind bislang Unmengen an großformatigen Zeichnungen, die oft mit Kommentaren der Kolleg*innen aus der Zeichnungsfreigabe versehen sind. Mit diesen Zeichnungen unterm Arm gehen sie zu den markierten Stellen im Schiff bzw. im jeweiligen Block und prüfen z.B. die Dicke der Stahlplatten oder die Qualität der Schweißnähte.

Eine wesentliche Anforderung an die Lösung für den digitalen 3D Site Survey war, dass die Anwender*innen von einem mobilen Endgerät aus offline auf die 3D-Modelle zugreifen und komfortabel in ihnen navigieren können.
Außerdem brauchten sie Zugang zu den Kommentaren aus der Klassifikation, die in einer separaten Anwendung verwaltet werden. In der von DNV und PROSTEP gemeinsam entwickelten Lösung werden 3D-Modelle, ergänzende Attribute und Kommentare automatisch in 3D-PDF-Containern zusammengeführt. Um den Entwicklungsaufwand überschaubar zu halten, sah das Projekt im ersten Schritt nur die Visualisierung der Informationen, nicht aber die Interaktion mit den Kommentaren vor.

Gute Erfahrung mit der 3D PDF-Technologie

DNV entschied sich, bei der Entwicklung der 3D PDF-basierten Lösung mit PROSTEP zusammenzuarbeiten, weil beide Unternehmen vor einigen Jahren zusammen mit der MEYER WERFT ein Pilotprojekt mit ähnlichem Fokus realisiert hatten. Damals ging es darum, der Klassifizierungsgesellschaft für die Class Approval 3D PDF-Container mit CATIA-Modellen der Werft zur Verfügung zu stellen. „Dadurch wussten wir, dass die 3D PDF-Technologie von PROSTEP unsere Anforderungen erfüllen würde, und dass PROSTEP die Fähigkeit hat, diese Lösung für uns zu entwickeln“, sagt Astrup. „Außerdem haben wir die Schiffbau-Expertise des Unternehmens im Rahmen des OCX-Projekts schätzen gelernt.“

Die jetzt von PROSTEP entwickelte Lösung baut auf den Erfahrungen aus dem Projekt mit der MEYER WERFT auf, nutzt aber keine nativen CAD-Modelle, sondern die OCX-Daten bzw. die daraus abgeleiteten STEP-Modelle. Zunächst werden die in OCX enkodierten und topologisch beschriebenen Geometriemodelle in der DNV-Anwendung Nautilus in explizite 3D-Modelle umgewandelt. Diese Modelle werden dann zusammen mit nicht-geometrischen Informationen aus OCX wie Plattenstärken oder Querschnitte automatisiert in die von PROSTEP entwickelte 3D PDF-Vorlage eingebettet.

OCX enthält auch eine Hilfsgeometrie, das so genannte Frame Grid oder Spant-Raster. Sie erleichtert den Prüfer*innen, die nicht in Metern, sondern in Spant-Nummern und Decks denken, die Orientierung in den relativ großen 3D-Modellen. Allerdings ist diese Hilfsgeometrie in OCX nur numerisch beschrieben. Die PROSTEP-Lösung wandelt sie bei der Befüllung der 3D PDF-Vorlage in STEP-Geometrie um und verknüpft sie automatisch mit den von DNV bereitgestellten Modellen des Schiffsrumpfs.

Den Prüfer*innen stehen in der 3D PDF-Lösung die klassischen Mess- und Filterfunktionen zur Verfügung, die der Adobe Reader per default bereitstellt. Allerdings hat PROSTEP diese Funktionen auf mehrere, einfach zu bedienende Buttons verschoben, damit die Anwender*innen sie auch in einem Umfeld mit schlechter Sicht einfach nutzen können.

Darüber hinaus bettet die Lösung automatisch Class Approval-Kommentare aus dem Nauticus-System von DNV in den 3D-PDF-Container ein. Die Kommentare werden direkt an bestimmte 3D-Komponenten angehängt, die hervorgehoben werden, wenn der entsprechende Kommentar angeklickt wird.

Sehr effizient durchgeführtes Projekt

Eine Herausforderung bei dem Projekt war es, einen guten Zusammenarbeitsmodus mit allen Beteiligten zu finden, um in der Vorbereitungsphase die Anforderungen mit ihnen abstimmen und in der Testphase dann ihr Feedback einholen zu können. Das war die Voraussetzung, um das Projekt in agilen Sprints umsetzen zu können. Dank des professionellen Projektmanagements habe PROSTEP das Projekt sehr effizient und in Time und Budget durchgeführt, lobt Astrup. Das gelte vor allem für die Testphase mit mehreren Tester*innen in unterschiedlichen Ländern und Zeitzonen.

Weltweit arbeiten beim DNV 300 bis 400 Surveyor, die jedes Jahr den Bau von rund 100 neuen Schiffen überwachen. Die neue Lösung für den 3D Site Survey stellt ihnen alle Informationen für ihre Arbeit an einer einzigen Stelle bereit, so dass sie nicht mehr Dutzende von Zeichnungen durchsuchen müssen. Das spart ihnen Zeit. Beim derzeitigen Entwicklungsstand müssten sie ihre Kommentare und Anmerkungen allerdings immer noch manuell in das interne System von DNV übertragen.

Der eigentliche Nutzen für die Surveyor wird sich nach Ansicht von Astrup erst dann ergeben, wenn sie direkt mit dem 3D-Modell interagieren können. Dazu könnte die Möglichkeit gehören, Kommentare zu schließen oder ihren Status zu ändern, nachdem eine Inspektion erfolgreich war, oder neue Kommentare zu erstellen und Beobachtungen hinzuzufügen, wenn die Surveyor vor Ort etwas entdecken, das nicht konform ist.

„Das Potenzial der Lösung ist enorm“, sagt Astrup abschließend. Dies könnte nicht nur für Klassifikationsgesellschaften von Interesse sein, sondern auch für Schiffseigner und -betreiber, die ebenfalls Prüfer*innen auf die Schiffe schicken, um den Bauprozess oder den Betriebszustand zu überwachen.

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