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Künstliche Intelligenz revolutioniert die Softwareentwicklung

Von Karsten Theis

Die Künstliche Intelligenz (KI) ist gerade den Kinderschuhen entwachsen und beeinflusst unsere Lebens- und Arbeitswelten trotzdem schon massiv. In kaum einem Bereich wird sie jedoch eine so disruptive Energie entfalten wie in der Softwareentwicklung. Einer aktuellen Studie zufolge könnte die generative KI die Produktivität hier um 70 Prozent steigern. Werkzeuge wie GitHub Copilot oder Tabnine sind heute schon in der Lage, neuen Code zu generieren, und sie werden immer besser. Und ich frage mich, was bedeutet das für die Menschen, die heute Software entwickeln, und was bedeutet es für uns als Softwarehaus.

Ehrlich gesagt habe ich noch keine klaren Antworten auf diese Fragen. Aber eins ist jetzt schon klar: Das Berufsbild der Softwareentwickler*innen wird sich grundlegend ändern. Ich bin mir sicher, dass der Bedarf an Software wachsen wird. Wir werden also weiterhin Softwareentwickler*innen benötigen. Aber wie viele Menschen Software entwickeln werden und welche Qualifikation diese Menschen haben müssen, ist noch nicht absehbar. Ich sehe den klaren Trend weg vom klassischen Coding hin zum Erstellen KI-gerechter Anforderungen und Spezifikationen. Die Anforderungen zu verstehen und zu formulieren, wird den Großteil der Wertschöpfung ausmachen. Das erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Softwarearchitekt*innen, Business Consultants und Endanwender*innen. Das ist in der agilen Entwicklung heute auch schon so, aber die Rolle der Entwickler*innen wird eine andere.

Rund um die Softwareentwicklung hat sich eine weltweite Industrie entwickelt, die von Aufträgen aus den unterschiedlichsten Branchen lebt. Wie und bei wem in Zukunft Softwareentwicklung beauftragt wird, kann sich disruptiv ändern. Bleibt der aktuelle Trend zum Offshoring bestehen?

Werden die Preise für Entwicklungstätigkeiten steigen oder aufgrund massiver Überkapazitäten einbrechen? Wird in Summe mehr Software entstehen und diese schneller entwickelt oder läuft der Markt in eine Sättigung, weil die Kunden zum Flaschenhals werden? Bleiben die Industrieländer der Nabel dieser Industrie? Möglicherweise geht das Offshoring zurück, weil die KI die Programmieraufgaben übernimmt, die früher nach Indien oder anderen Offshore-Länder verlagert wurden. Aber das ist keineswegs sicher, weil auch diese Länder entsprechendes KI-Know-how aufbauen. Microsoft investiert gerade drei Milliarden US-Dollar in KI-Initiativen in Indien.

Die KI wird nicht die Softwareentwickler*innen ersetzten, sondern nur diejenigen von ihnen, die ihr Potenzial nicht zu nutzen verstehen. Und dieses Potenzial ist enorm. KI-Verfahren wie das Natural Language Processing oder Machine Learning automatisieren die Code-Generierung und – was für die Softwareentwickler*innen noch lästiger ist –die Dokumentation des programmierten Codes. Sie analysieren manuell programmierten Code in Echtzeit und entdecken Fehler oder ineffiziente Algorithmen. Sie unterstützt die Entwickler*innen auch bei der Konzeption komplexer Softwarearchitekturen.

Aber Vorsicht: Die KI ist nicht unfehlbar, und es besteht die Gefahr, dass sich gerade junge Entwickler*innen zu sehr auf sie verlassen. Eine 2022 veröffentlichte Studie hat gezeigt, dass Programmierer*innen, die ihren Code mit KI-Unterstützung erzeugten, ihre Lösung für sicherer hielten, obwohl das genaue Gegenteil der Fall war. KI-generierter Code kann Sicherheitslücken enthalten, die schwerer zu erkennen sind. Und Hacker können die KI nutzen, um Schwachstellen in Systemen zu entdecken oder um Schadsoftware zu schreiben.

Vor allem aber besteht die Gefahr, dass der zunehmende Einsatz von KI-Tools dazu führt, dass die Entwickler*innen ihre grundlegenden Programmierkenntnisse vernachlässigen. Das ist ein echtes Dilemma, denn damit verlieren sie eine der wesentlichen Kompetenzen, die der zunehmende KI-Einsatz in der Softwareentwicklung erfordert, nämlich die Fähigkeit zur Qualitätskontrolle. Irgendjemand muss die Ergebnisse, die die KI produziert, verstehen und überprüfen können und letztlich die Verantwortung dafür übernehmen, dass sie ihre Funktion erfüllen. Man kann bei Fehlern schlecht die KI auf Schadenersatz verklagen.

Was bedeutet das für uns als Softwareunternehmen, das sowohl eigene Lösungen entwickelt als auch anspruchsvolle Softwareentwicklungsprojekte für Kunden realisiert? Wir müssen massiv in den Aufbau unseres KI-Know-hows investieren und tun das schon seit geraumer Zeit. Wir haben Werkzeuge für die automatische Code-Generierung eingeführt, die von unseren Softwareentwickler*innen sehr positiv aufgenommen wurden, und schulen unsere Mitarbeitenden kontinuierlich im Umgang mit diesen Tools.

Außerdem integrieren wir die KI als Werkzeug in neue Anwendungen wie den KI-Chatbot für die Navigation im Digitalen Produktpass, den wir im Rahmen des Forschungsprojekts Decide4ECO entwickelt haben.

Doch was passiert mit bestehenden Applikationen? Etliche unserer Kunden betreiben große Softwarelösungen mit Millionen Zeilen Code. Diese zu pflegen und weiterzuentwickeln, ist eine echte Herausforderung, insbesondere wenn die ursprünglichen Entwickler*innen allmählich in den Ruhestand gehen. Auch hier kann KI nutzbringend eigesetzt werden. Wir arbeiten daran Large Language Modelle mit dem Code von Bestandssoftware zu trainieren, um die schiere Masse an Quellcode beherrschbar und damit wartbar zu machen. Dazu erfahren Sie demnächst mehr in unserem Newsletter. Bleiben Sie dran.

Ihr Karsten Theis

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