Die Brose Gruppe hat ihren Hauptsitz in Bamberg und gehört mit 26.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 6,2 Milliarden Euro zu den Top 40 Automobilzulieferern der Welt. In jedem zweiten Neuwagen, der weltweit vom Band läuft, sorgt mindestens ein Brose-Produkt für Sicherheit, Komfort oder Effizienz. Kernkompetenz des Unternehmens, dessen Erfolgsgeschichte mit dem Kurbelantrieb für versenkbare Fenster begann, ist die Verbindung von Mechanik, Elektrik, Elektronik und Sensorik. Das Produktspektrum umfasst Türsysteme, Heckklappen, Verstell-Systeme für Vorder- und Rücksitze sowie Elektromotore und Antriebe für eine Vielzahl von Anwendungen im Fahrzeug.
Das (autonome) Fahrerlebnis der Zukunft beginnt schon beim Einsteigen - mit Türen, die sich automatisch öffnen, sofern sich ihnen kein Hindernis in den Weg stellt, mit Sitzen, die sich automatisch auf den Fahrer einstellen, und einem vortemperierten Fahrzeuginneren. Tür-, Schließ- und Sitzsysteme werden dadurch zu komplexen, mechatronischen oder sogar cyberphysischen Systemen, deren Entwicklung neue Werkzeuge, Methoden und Prozess erfordert; aber auch eine effizientere Nutzung der vorhandenen Informationen. „Viel zu viele Informationen stecken bei uns noch in TIFF- oder PDF/A-Dokumenten und sind dadurch für die Folgeprozesse nicht digital verfügbar“, sagt Walter Redinger, Leiter Entwicklungs- und Produktionssysteme / Informationssysteme bei Brose.
Zusammen mit den Business-Funktionen des Unternehmens hat die IT deshalb eine klare Digitalisierungsstrategie definiert. Neben der Automatisierung der Konstruktionsprozesse durch Assistenzsysteme und der virtuellen Absicherung der Prototypen gehören dazu Themen wie eine stärker system- bzw. MBSE-orientierte (Model-based Systems Engineering) Vorgehensweise bei der Zusammenarbeit mit den OEMs und der Einsatz neuer Technologien wie Augmented Reality (AR). Ziel ist es einen digitalen Master zu haben, der neben den 3D-Modellen auch die E/E-Informationen (Elektrik/Elektronik) und Software-Stände umfasst und alle Informationen digital verfügbar macht.
Mehrschichtige PLM-Landschaft
Schlüssel zur Digitalisierung sei eine durchgängige PLM-Toolchain, angefangen vom Anforderungsmanagement über das Design von Software, Leiterplatten und Mechanik bis zu Testverfahren und Simulation, einschließlich der digitalem Fertigungsplanung und -steuerung, führt Redinger weiter aus. „Über diese digitale Durchgängigkeit wollen wir die Einzeldisziplinen stärker integrieren und die Kerneffizienzen in den Prozessen steigern. Das erfordert einen kulturellen Wandel in der Organisation, stellt aber auch neue Anforderungen an unsere PLM-Landschaft.“
Die PLM-Landschaft von Brose besteht aus mehreren Schichten. PLM-Backbone ist das SAP-System, in dem Teile, Materialien und Stücklisten angelegt, die Zeichnungen freigegeben und auch die Änderungen gemanagt werden. Es ist eng mit MS SharePoint integriert, mit dem bei Brose weltweit 5.000 Mitarbeiter ihre Kundenprojekte abwickeln. Als TDM-System (Team Data Management) für Mechanik- und E/E-Entwicklung dient bislang ENOVIA VPM, das derzeit durch die 3DEXPERIENCE-Plattform (3DX) abgelöst wird. Die Software-Entwickler nutzen für das Application Lifecycle Management (ALM) noch die Software Virtual DOORS bzw. die Rational-Toolsuite, steigen aber sukzessive auf die Software codeBeamer ALM um.
OpenPDM übernimmt in der PLM-Landschaft die Rolle des Hubs für die Verbindung der verschiedenen Welten, wie Redinger sagt. Das gilt vor allem für das erfolgreich umgesetzte Projekt der ENOVIA- bzw. 3DX-SAP-Kopplung, über die die CATIA-Daten ins JT-Format konvertiert und weltweit bereitgestellt werden. Brose hat die Integrationsplattform und die Dienste von PROSTEP aber schon früher genutzt, um z.B. Joint Venture-Partnern selektiv bestimmte Datenumfänge bereitzustellen und sie regelmäßig zu synchronisieren. Auch als das Unternehmen die Elektromotoren-Sparte von Continental übernahm und die PLM-Daten der Sparte aus der Conti-Umgebung herausgeschält werden mussten, kam die Lösung zum Einsatz. „PROSTEP ist für uns ein langjähriger, bewährter Partner mit funktionierenden Werkzeugen und sehr erfahrenen Leuten“, sagt Redinger.
3D-Daten für die Folgeprozesse
Im Unterschied zu anderen Automobilzulieferern nutzt Brose für die Mechanik-Entwicklung nicht das jeweilige Kundensystem, sondern eine eigene CATIA-Umgebung. Alle Konstrukteure an den 25 Entwicklungsstandorten – das sind immerhin rund 1.000 Mitarbeiter – arbeiten nach einer einheitlichen Methodik und mit den gleichen Standards, was die Zusammenarbeit bei standortübergreifenden Projekten erleichtert. „In der Kundenwelt zu arbeiten wäre für die Fachbereiche einfacher, würde aber die Ausschöpfung von Synergien durch Standardisierung und Daten-Reuse erschweren“, sagt Redinger. Trotzdem pflegt die IT ca. 30 unterschiedliche Kundenumgebungen, um die CAD-Daten aufbereiten und in die jeweiligen Kundenformate konvertieren zu können. Konvertierung und Austausch steuert seit vielen Jahren die Datenaustauschplattform OpenDXM GlobalX von PROSTEP.