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Agilität als Treiber für den Umbau der PLM-Landschaft

Ein Interview mit Ralf Waltram

Die BMW Group IT will 100 prozentig agil werden, um IT-Lösungen schneller implementieren und flexibler weiter entwickeln zu können und einen höheren Nutzen für die Anwender zu generieren. Was das für die künftige PLM-Bebauung des Automobilherstellers bedeutet, erläutert Ralf Waltram, der als VP der BMW Group für die IT-Systeme in der Fahrzeugentwicklung verantwortlich ist.

Frage: Welche Anforderungen ergeben sich aus der Digitalisierungsstrategie der BMW Group hinsichtlich der künftigen IT- und PLM-Bebauung?

Waltram: 2016 haben wir aus der BMW Group Unternehmensstrategie NUMBER ONE > NEXT unsere IT-Strategie abgeleitet, die sich auf vier Kernthemen fokussiert: IT in Produkt und Service, Digitalisierung der Geschäftsprozesse, Customer Centric IT Service Delivery und People & Culture. Flexibilität und Geschwindigkeit sind gerade für „Customer Centric IT Service Delivery“ wesentliche Anforderungen, die wir mit unserer Initiative „100% Agile“ adressieren. Sie hat einen klaren Fokus auf Agilität in der Software-Entwicklung und auf eine Neuausrichtung der Struktur mit DevOps, in denen wir Development und Operations in den Teams zusammenbringen. Um agiler zu werden, müssen wir auch die PLM-Bebauung flexibler gestalten. Sie ist aktuell noch stark durch monolithische Lösungen geprägt.

Frage: Agilität ist also auch der Treiber für den Umbau der PLM-Landschaft?

Waltram: absolut richtig. Sie treibt uns hin zu service-orientierten, offenen und flexiblen Lösungen mit modernen Oberflächen. Das gesamte Thema User Experience spielt in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Hierbei gehen wir in den Austausch mit den  PLM Software Herstellern, damit die zukünftigen Lösungen am Markt einen modularen, service-orientierten Ansatz mit optimaler User Experience unterstützen.

Frage: Welches sind die wesentlichen Bausteine dieser service-orientierten Architektur?

Waltram: Aktuell sind wir im Rahmen unserer iPDM-Initiative dabei, unser Alt-System TAIS für das Management der MBOM abzulösen. Dabei verfolgen wir das Konzept einer „3+1-Architektur“ mit einem Daten-Backbone, über den der wir die IT-Systeme in unserer Landschaft verbinden wollen. Dieser Daten-Backbone soll kein monolithisches System sein, sondern eine leichtgewichtige, semantische Schnittstelle, über die Daten für mehrere Geschäftsprozesse fließen.

Frage: Sie haben sich für PTC Windchill als TAIS-Nachfolger und im Versuchsdaten-Management für Aras Innovator entschieden, setzen aber auch Teamcenter und SAP PLM ein. Wie fügt sich das alles in die PLM-Bebauung ein und welche Bausteine fehlen noch?

Waltram: Wir haben uns für PTC Windchill als TAIS-Nachfolger entschieden, aber unser PDM-Backbone umfasst weit mehr; dazu gehören etwa auch Eigenentwicklungen wie unser Geometriedatenmanagement PRISMA. Aktuell findet die Definition statt, wie unser künftiger Backbone und die zugehörige „3+1-Architektur“ ausschauen und funktionieren sollen. Wir verfolgen für die jeweiligen Bereiche einen „Best in Class“-Ansatz und verknüpfen sie dann über das Daten-Backbone. Das ist unser erklärtes Ziel, um eine service-orientierte Architektur aufzubauen, die den hohen Ansprüchen an die User Experience genügt.

Frage: Sie nutzen dafür noch relativ klassische Bausteine wie Windchill oder Teamcenter, das als PRISMA-Nachfolger gehandelt wird? Passt das mit der gewünschten Flexibilität zusammen?

Waltram: Was heißt schon klassisch? Anbieter wie z.B. PTC oder Aras sind in den Innovationsquadranten von einschlägigen Marktanalysten wie Forrester als Treiber der Veränderung gesetzt. Ihre Software-Lösungen bieten die Möglichkeit, moderne service-orientierte Architekturen aufzubauen. Was die Nachfolge von PRISMA und andere Bereiche der Bebauung anbelangt, so ist derzeit noch keine finale Entscheidung gefallen. Derzeit konzentrieren wir uns auf das Thema iPDM bzw. MBOM.

Frage: Welche Rolle spielt Aras mit Blick auf die „3+1-Architektur“? Könnte Aras Innovator ähnlich wie bei Automobilzulieferer Schaeffler diese Integrationsschicht sein oder denken sie über eine Eigenentwicklung nach?

Waltram: Wir gehen mit der Aras-Lösung im Moment das Thema Versuchsdatenmanagement an und es wäre verfrüht, die Frage zu beantworten, ob dies ein möglicher Kandidat für das Daten-Backbone wäre. Deshalb stellt sich auch die Frage nach einer selbst entwickelten Middleware noch nicht, obwohl das auf jeden Fall ein spannendes Thema ist, mit dem sich unsere Software-Architekten beschäftigen, die auch schon verschiedene Evaluierungen und Proofs of Concept durchgeführt haben.

Frage: Werden Sie für die Verknüpfung der IT-Systeme über den Daten-Backbone neue Integrationskonzepte wie die Daten-Verlinkung nutzen?

Waltram: Natürlich denken wir über solche Konzepte nach, denn es macht keinen Sinn, ein monolithisches Daten-Backbone mit lediglich einer großen Datenbank aufzubauen. Wenn man leichtgewichtig bleiben will, spricht vieles dafür, die Systeme und Daten nur logisch zu vernetzen.

Frage: Klaus Straub, der CIO der BMW Group, hat sich auf dem prostep ivip Symposium klar zur Offenheit bekannt. Welche Rolle spielt der CPO bzw. die COP-Zertifizierung bei der Beschaffung neuer Software?

Waltram: Offenheit ist eine wichtige Voraussetzung für unsere agile Ausrichtung. Die BMW Group hat sich von Anfang an sowohl innerhalb als auch außerhalb des Vereins für den CPO engagiert. Systementscheidungen werden bei uns heute konsequent auf dieser Basis getroffen, sodass jeder Hersteller, der den CPO unterstützt, in einer besseren Position ist.

Frage: Welche Nutzeneffekte versprechen Sie sich von der Implementierung agiler Methoden und einer service-orientierten PLM-Architektur?

Waltram: Wie ich schon ausgeführt habe, liegt der Fokus auf Flexibilität und Geschwindigkeit, wobei der Nutzen der jeweiligen User Stories im Vordergrund steht. Bezogen auf die PLM-Architektur und IT-Methoden bedeutet das, dass wir dank Flexibilisierung und Entkopplung deutlich mehr Releases mit Software-Inkrementen pro Jahr schaffen, während es in der Vergangenheit nur zwei große Releases pro Jahr gab. Wir werden im Teamcenter-Umfeld in diesem Jahr z.B. zehn neue Releases ausliefern, was natürlich einen entsprechend hohen Nutzeneffekt für unsere internen Kunden, d.h. die Anwender hat.

Frage: Voraussetzung für die schnelleren Implementierungszyklen ist sicher eine stärkere Standardisierung der PLM-Anwendungen?

Waltram: Ja, absolut. In unserer Rolle als Customer Centric IT Service Delivery adressieren wir bei der Gestaltung der PLM-Architektur auch das Thema Standards, etwa STEP AP 242. Wenn wir in neuen Architekturen externe Software einsetzen, bleiben wir ganz nahe am Standard, um uns die Release-Fähigkeit zu erhalten. Wir nehmen Entkopplung ernst und versuchen überall dort zu standardisieren, wo Standards möglich sind.

Frage: Welche Bedeutung hat gerade mit Blick auf neue, serviceorientierte Geschäftsmodelle die Anbindung von IoT-Plattformen, auf denen Fahrzeugdaten zusammenfließen?

Waltram: Wir bauen im Rahmen der Digitalisierungsstrategie eine IoT-Plattform auf, allerdings nicht in meinem Verantwortungsbereich. Erklärtes Ziel ist es, diese Plattform über unsere „3+1-Architektur“ anzubinden, um nicht alle, aber die relevanten Daten im PLM-Umfeld bereitzustellen.

Herr Waltram, Wir danken für das Gespräch. (Das Interview führte Michael Wendenburg)

 


 

Zur Person

Ralf Waltram (Jahrgang 1969) ist seit 1996 für die BMW Group tätigt und verantwortet seit 2016 die IT-Systeme in der Fahrzeugentwicklung. Hierbei legt er mit seinem Team den Schwerpunkt auf die Möglichkeiten der Digitalisierung im R&D-Prozess, mit einem agilen Zusammenarbeitsmodel und der Ausrichtung auf eine BizDevOps-Struktur. Zuvor hat er im Bereich Vertrieb und Marketing internationale IT-Projekte z.B. in China geleitet und Linien-Funktionen verantwortet. Ralf Waltram hat an der Hochschule München Informatik studiert, mit Schwerpunkt Computer Vision und neuronale Netze.

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