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prostep ivip Symposium mit den Themen der Zukunft

Von Bernd Pätzold

Nicht nur wegen der Rekord-Besucherzahlen war das diesjährige prostep ivip Symposium in meinen Augen ein voller Erfolg. Gute Keynotes und eine Agenda mit interessanten Vorträgen, z. B. über Artificial Intelligence (AI), Blockchain-Technologie und Smart Manufacturing, machten deutlich, dass sich der prostep ivip Verein intensiv mit der Frage auseinandergesetzt hat, welche Themen künftig für die Digitalisierung der Geschäftsprozesse eine Rolle spielen. Mit 700 Teilnehmern aus 21 Ländern war die Veranstaltung internationaler denn je.

Dass der Verein sich mit neuen Themen rund um die Digitalisierung von Entwicklung und Fertigung beschäftigt, bedeutet nicht, dass die „alten“ nicht mehr behandelt werden. Im Gegenteil: Offenheit und Standards sind wichtiger denn je, um agil auf die Herausforderungen der digitalen Transformation reagieren zu können. Das unterstrich gleich zum Auftakt Klaus Straub, CIO der BMW Group, die das diesjährige Symposium zusammen mit der CENIT AG sponserte. BMW will 100-prozentig agil werden, wie Straub in seiner Keynote versicherte; nicht ohne darauf hinzuweisen, dass das eine längere Reise sein wird, weil Agilität Veränderungen der Prozesse, Strukturen, Kulturen und der IT-Technologie erfordert.

Dass Widerstände gegen radikale Veränderungen nicht einfach zu überwinden sind, erleben wir selbst in vielen Projekten. Wie sagte Kurt Bengel, CEO von CENIT, so schön: Wir Deutschen sind Reaktionsweltmeister mit einem ausgeprägten Beharrungsvermögen. Seinen Appell, unsere Phantasie zu nutzen, um uns die Zukunft auszumalen und sie proaktiv zu gestalten, kann ich deshalb nur unterschreiben. Sonst fallen wir bzw. unsere Unternehmen dem digitalen Darwinismus zum Opfer, dessen Gefahren Unternehmensberater Karl-Heinz Land beschwor. Quintessenz seiner Keynote: Digitalisierung, Vernetzung und Automatisierung sind unaufhaltsam. Deshalb müssen wir jetzt handeln.

Solche Appelle hört man auf dem Symposium nicht zum ersten Mal, und sie fallen offensichtlich auf fruchtbaren Boden. Ich hatte in diesem Jahr den Eindruck, dass die Unternehmen bei der Digitalisierung ihrer Entwicklungsprozesse und der Vernetzung von Entwicklung und Fertigung einen Gang hochgeschaltet haben. Gerade das modellbasierte Systems Engineering kommt voran. Ein wichtiger Treiber ist zweifellos das Autonome Fahren, das Automobilhersteller und Zulieferer dazu zwingt, sich noch mehr Gedanken über die virtuelle Absicherung der Fahrfunktionen zu machen. So viele Millionen Testkilometer, wie für die Absicherung erforderlich sind, kann man gar nicht auf der Straße fahren.

Auch der Digital Twin erfreut sich in den Unternehmen einer wachsenden Akzeptanz, wenn man den Anwendervorträgen glauben darf. Seine Bedeutung für die Umsetzung von Industrie 4.0-Initiativen und die Unterstützung neuer, serviceorientierter Geschäftsmodelle wird nicht mehr in Frage gestellt. Diskutiert wird allenfalls noch darüber, wie vollständig er die Realität für welchen Anwendungsfall abbilden muss und in welchen IT-Systemen er am besten aufgehoben ist.

Für die digitale Transformation der Fertigung ist der Digital Twin unverzichtbar. Die Unternehmen versprechen sich erhebliche Rationalisierungspotentiale von der Möglichkeit, das Verhalten realer Produktionsanlagen mit Hilfe von Digitalen Zwillingen zu überwachen, zu steuern und zu optimieren: z. B. das schnellere Entdecken von Fehlern und eine höhere Verfügbarkeit der Anlagen. Dazu müssen die Zwillinge natürlich in Echtzeit mit den Sensordaten aus der Produktion gefüttert werden und auch in der Lage sein, diese Daten korrekt zu interpretieren. Bei der Auswertung der riesigen Signalströme kommen zunehmend algorithmische Verfahren des maschinellen Lernens (ML) und der Künstlichen Intelligenz (KI) zum Einsatz.

KI bzw. Artificial Intelligence (AI) ist eines der „neuen“ Themen, mit denen sich der Verein in nächster Zeit intensiver auseinandersetzten wird – maßgeblich auf Betreiben der Mitglieder aus Wissenschaft und Forschung. Eigentlich kein neues Thema, nur dass uns erst heute die notwendige Rechenleistung, Speicherkapazität und letztlich auch die riesigen Datenmengen zur Verfügung stehen, um KI effektiv zur Anwendung zu bringen. Der Verein will das Potential der KI für industrielle Prozesse in schnelllaufenden Projekten ausloten, wie der neue Vorstandsvorsitzende Armin Hoffacker sagte, sodass erste Ergebnisse sicher schon auf dem nächsten Symposium präsentiert werden. 

Nach Einschätzung der meisten Unternehmen wird die AI künftig eine Schlüsselrolle für die Verbesserung der Produktivität in industriellen Prozessen spielen, wie eine Studie der Boston Consulting Group belegt. Was die Implementierung von ersten AI-Anwendungen anbelangt, konstatierten die Marktforscher allerdings einen deutlichen Rückstand der deutschen Unternehmen im Vergleich zu den amerikanischen und chinesischen. Insbesondere China fördert den Ausbau von AI ganz massiv. Deutschland drohe den Anschluss zu verlieren, meinte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in der jüngsten Etatdebatte und warnte mit Blick auf die KI vor zu viel Datenschutz. Man könne nicht bei der KI vorne sein und bei Daten so restriktiv wie möglich. Dass die Unternehmen in Deutschland erstmal damit beschäftigt sind, die verschärften Regelungen der neuen europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) umzusetzen, gehört zu den Paradoxien der Politik.

Doch zurück zum Symposium und einem weiteren Zukunftsthema: Wie die AI gehört auch die Blockchain zu den Technologien, die die Geschäftswelt revolutionieren könnten. Bislang kennt man sie vor allem aus der Welt der Krypto-Währungen, doch sie ist grundsätzlich für die Validierung beliebiger geschäftlicher Transaktionen im Internet der Dinge und Dienste geeignet. Für welche Anwendungen im industriellen Umfeld sie einen Mehrwert verspricht, lässt sich noch nicht genau abschätzen. Mögliche Anwendungsfälle für PLM zu diskutieren, war deshalb das Ziel des von PROSTEP geleiteten Blockchain-Workshops, in dem Dr. Martin Holland den Teilnehmern die Funktionsweise der Technologie am Beispiel des fälschungssicheren Austauschs von 3D-Druckaufträgen erläuterte. In ähnlicher Weise ließen sich Software-Updates in Fahrzeugen, der Austausch von klassifikationsrelevanten Bauteilen in Schiffen und andere Transaktionen wie z.B. Maut-Zahlungen mit Hilfe der Blockchain vor Manipulationen schützen.

Besonders spannend fand ich den Anwendungsfall, den Dirk Spindler, zuständig für R&D Processes, Methods & Tools bei Automobilzulieferer Schaeffler, in der abschließenden Keynote vorstellte. Die Blockchain könnte in Verbindung mit den klassischen PLM-Methoden den unternehmensübergreifenden Änderungsprozess in einem Partnernetzwerk ohne zentrale Autorität absichern, was nicht nur den Kommunikationsaufwand minimieren, sondern auch zu einer enormen Beschleunigung des Änderungsdurchlaufs bedeuten würde. Mehr dazu werden wir auf dem nächsten Symposium erfahren, das von Schaeffler gesponsert wird. Ich bin gespannt, mit welchen neuen Digitalisierungsthemen wir uns in Stuttgart sonst noch beschäftigen werden.

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