Erfolgsfaktoren für Digitalisierungsprojekte
Von Matthias Grau
Digitalisierungsprojekte sind zentrale Hebel für Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft eines Unternehmens. Gleichzeitig zeigen unsere Erfahrungen, dass rund zwei Drittel aller Projekte ihre angestrebten Ziele nicht erreichen oder sogar vollständig scheitern. Technische Hürden sind dabei oft nicht das Problem – vielmehr entscheiden organisatorische, kulturelle und strategische Faktoren über Erfolg oder Misserfolg.
Wer es versteht, Digitalisierungsprojekte strategisch zu verankern, Management und Mitarbeitende einzubinden, klare Strukturen zu schaffen und Veränderung aktiv zu gestalten, legt den Grundstein für nachhaltigen Projekterfolg. Im Folgenden werden einige der Faktoren beleuchtet, die nach den Erfahrungen von PROSTEP und MTT Solutions über den Erfolg oder Misserfolg von Projekten entscheiden können. MTT Solutions unterstützt die Integrationsexpert*innen von PROSTEP bei komplexen PLM-ERP-Integrationsprojekten im Schiffbau und in anderen Branchen.
Management-Committment als Erfolgsfaktor
Ein zentraler Erfolgsfaktor liegt in der strategischen Einbettung von IT-Projekten in die Gesamtstrategie des Unternehmens. Projekte dürfen nicht als isolierte IT-Initiativen verstanden werden, sondern müssen als Teil eines übergeordneten Transformationsprozesses gedacht werden.
Ein klar formuliertes Zielbild, das den strategischen Nutzen (z. B. Effizienzsteigerung, Kundenzentrierung oder neue Geschäftsmodelle) aufzeigt, schafft Orientierung für alle Beteiligten. Dieses Zielbild dient als gemeinsamer „Nordstern“, an dem Entscheidungen, Prioritäten und Maßnahmen ausgerichtet werden können. Erfolgreiche Unternehmen kommunizieren dieses Zielbild aktiv über alle Hierarchieebenen hinweg und machen transparent, welchen Beitrag das Projekt zur Zukunftsfähigkeit leistet.
Digitalisierungsvorhaben betreffen in der Regel mehrere Fachbereiche und Organisationsebenen. Daher ist die kontinuierliche Unterstützung durch das obere Management entscheidend. Sie äußert sich nicht nur in Budgetfreigaben, sondern vor allem in aktiver Präsenz, klarer Kommunikation und der konsequenten Priorisierung des Projekts. „Wenn das Top-Management als sichtbarer Fürsprecher agiert, entsteht eine starke Signalwirkung: Ressourcen werden bereitgestellt, Hindernisse werden schneller aus dem Weg geräumt und das Projekt erhält die notwendige Legitimation im gesamten Unternehmen“, sagt Andreas Töpperwien, CEO von MTT Solutions. Gerade bei längeren Projektlaufzeiten sorge ein stabiles Management-Sponsoring für Kontinuität und Verbindlichkeit.
Praxisbeispiel: Fehlendes Management-Commitment
Eine mittelständige europäische Werft wollte ihre Produktionsplanung digitalisieren, um Bauzeiten für Schiffe zu verkürzen und die Ressourcen-Planung besser in den Griff zu bekommen. Das Projekt wurde jedoch nur vom IT-Bereich initiiert, ohne dass das Top-Management aktiv beteiligt war.
Die Stolpersteine: - Die Projektziele wurden kaum kommuniziert, sodass Abteilungsleitende und Mitarbeiter*innen in den Fachbereichen den Nutzen der neuen Software nicht erkannten.
- Budgetfreigaben verzögerten sich, weil das Projekt keine hohe Priorität hatte.
- Widerstände in den Fachabteilungen blieben ungelöst, da das Management keine klare Linie vorgab.
Die Folgen: Die Digitalisierungsinitiative erzielte bislang nur minimale Verbesserungen, das Vertrauen der Mitarbeiter*innen in IT-Projekte sank, und die Werft konnte ihre geplanten Effizienzgewinne bisher nicht realisieren.
Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen
Einer der häufigsten Stolpersteine in IT- und Digitalisierungsprojekten ist eine unzureichende oder verspätete Einbindung der Fachabteilungen. Umgekehrt zählt eine partnerschaftliche, vertrauensvolle und strukturierte Zusammenarbeit zwischen IT und Fachbereichen zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren. IT-Organisationen bringen technologisches Know-how, Architekturverständnis und methodische Kompetenz mit. Die Fachabteilungen hingegen verfügen über tiefes Prozesswissen, kennen die Anforderungen der Kunden und die täglichen Herausforderungen in der operativen Praxis.
Erfolgreiche Projekte entstehen, wenn beide Perspektiven gleichberechtigt zusammengeführt werden. Entscheidend ist, dass IT und Fachbereiche von Anfang an ein gemeinsames Verständnis über Ziele, Prioritäten und Erfolgsmaßstäbe entwickeln. Gerade in agilen Projekten ist die enge Zusammenarbeit mit den späteren Nutzer*innen entscheidend, denn sie sorgt dafür, dass Anforderungen realitätsnah formuliert und die Lösungen praxisgerecht umgesetzt werden. Gleichzeitig steigt die Akzeptanz neuer Systeme erheblich, wenn Mitarbeitende sich von Anfang an beteiligt fühlen.
Statt in getrennten Verantwortungsbereichen zu arbeiten, agieren die Beteiligten idealerweise in interdisziplinären Teams auf Augenhöhe. Der regelmäßige Austausch und eine offene, transparente Kommunikation schaffen dabei die Grundlage für gegenseitiges Vertrauen. Ebenso wichtig ist, dass beide Seiten ein grundlegendes Verständnis füreinander entwickeln: Die IT sollte die Geschäftsprozesse nachvollziehen können, während die Fachbereiche die technologischen Rahmenbedingungen verstehen.
„Wenn diese Zusammenarbeit gut funktioniert, entsteht ein starkes Wir-Gefühl, das weit über die reine Projektarbeit hinausgeht. Die Fachbereiche werden zu aktiven Mitgestaltern der Lösung, die IT wird als strategischer Partner wahrgenommen“, sagt Töpperwien. „Das Ergebnis sind effizientere Abläufe, eine höhere Qualität der Ergebnisse und eine deutlich gesteigerte Akzeptanz bei den Anwender*innen.“
Praxisbeispiel: IT und Fachbereiche an einem Strang
Eine große deutsche Werft wollte ihre Entwicklungsplanung digitalisieren, um die Entwicklungszeiten für Schiffe zu verkürzen und die Durchgängigkeit der Informationen entlang des Entwicklungsprozesses zu verbessern. Von Beginn an wurden IT-Expert*innen und Fachabteilungen in interdisziplinäre Teams eingebunden.
Die Erfolgsfaktoren: - Gemeinsame Workshops zu Projektstart, in denen Ziele, Prioritäten und Erfolgskriterien klar definiert wurden.
- Aufbau einer Projektstruktur, in der jeweils ein(e) Fachbereichs- und ein(e) IT-Vertreter*in für eine fachliche Domäne gemeinsam zuständig waren.
- IT und Fachbereiche entwickelten so ein gegenseitiges Verständnis: Die IT lernte die operativen Prozesse kennen, die Fachbereiche erhielten Einblick in die technologischen Möglichkeiten und Grenzen.
Das Ergebnis: Das System wurde termingerecht implementiert, die Akzeptanz der Anwender*innen war hoch, und die Entwicklungsplanung konnte deutlich effizienter gestaltet werden. Die Fachabteilungen fühlten sich als aktive Mitgestalter, und die IT wurde als strategischer Partner wahrgenommen.
Externe Partner als Innovationsbeschleuniger
Ein leistungsfähiges Projektteam mit ausreichenden personellen und zeitlichen Ressourcen ist Grundvoraussetzung für komplexe Digitalisierungsvorhaben. Erfahrene Projektleiter*innen, die Entscheidungen treffen und über interdisziplinäre Kompetenz verfügen, sind ebenso entscheidend wie ein realistisch bemessener Zeitrahmen. Darüber hinaus tragen klare Governance-Strukturen erheblich zur Effizienz bei. Definierte Entscheidungswege, einheitliche Projektmanagement-Standards und eine transparente Rollenverteilung verhindern unnötige Abstimmungsschleifen und beschleunigen den Fortschritt.
In vielen Digitalisierungsprojekten übernehmen externe Dienstleister, Berater*innen oder Technologiepartner eine zentrale Rolle. Ihre Funktion geht dabei häufig weit über reine Unterstützungsleistungen hinaus. Richtig eingebunden, können sie als strategische Innovationsbeschleuniger wirken und maßgeblich zum Projekterfolg beitragen. Externe Partner bringen wertvolle Perspektiven ein, die intern oft fehlen.
Ihre Branchenerfahrung und ihre Kenntnis bewährter Vorgehensweisen helfen, typische Fallstricke zu vermeiden und erprobte Lösungen schneller zu adaptieren. Gleichzeitig verfügen sie über spezialisiertes technisches Know-how, das den Reifegrad des Projekts erheblich steigern kann, wie Peter Wittkop, Head of Consulting – Delivery bei PROSTEP erläutert: „Durch ihren Blick von außen hinterfragen sie bestehende Strukturen objektiver und können neue Impulse geben, die intern nur schwer durchsetzbar wären.“
Damit dieses Potenzial wirksam wird, ist die Art der Zusammenarbeit entscheidend. Erfolgreiche Unternehmen betrachten ihre Partner nicht als reine Auftragnehmer, sondern als gleichwertige Sparringspartner. Das bedeutet, dass externe Expertise eng mit internen Ressourcen verzahnt und in die Projektplanung sowie die Entscheidungsprozesse integriert wird. Offene Kommunikation, wechselseitiger Wissensaustausch und eine klare Governance-Struktur sorgen dafür, dass Know-how nicht nur extern genutzt, sondern nachhaltig ins Unternehmen übertragen wird. Auf diese Weise wird externes Wissen nicht zu einer Abhängigkeit, sondern zu einem Multiplikator für die eigene Weiterentwicklung.
Praxisbeispiel: Externer Partner als Mittler
Eine große europäische Werft führt ein neues PLM-System ein, um die Basis zu schaffen für die zukünftige Ablösung von Zeichnungen und die sukzessive Umsetzung einer modellbasierten Produktentwicklung. Die interne IT verfügte über begrenzte Erfahrung mit der neuen Software, und die Fachabteilungen hatten nur unzureichendes technisches Verständnis für die erforderlichen Systemfunktionen.
Die Erfolgsfaktoren: - Der externe Partner brachte sowohl branchenspezifisches Prozesswissen als auch technisches Know-how mit und übernahm die Koordination zwischen IT, Fachbereichen und dem Software-Vendor.
- Er moderierte Workshops, um die Anforderungen der Fachbereiche präzise zu erfassen und in technisch umsetzbare Spezifikationen für den Software-Vendor zu übersetzen.
- Während der Implementierung sorgte der Partner für einen kontinuierlichen Wissensaustausch: Die IT lernte die Fachprozesse besser zu verstehen, die Fachbereiche erhielten Einblick in die Softwaremöglichkeiten, und der Vendor konnte schneller auf praxisnahe Anforderungen reagieren.
- Entscheidungswege wurden transparent gestaltet, sodass Anpassungen ohne Verzögerungen umgesetzt werden konnten.
Das Ergebnis: Die Kommunikation zwischen allen Beteiligten konnte dank des externen Partners deutlich effizienter gestaltet und die Grundlage für die sukzessive Abkehr von rein zeichnungsbasierten Prozessen geschaffen werden. Die Fachbereiche sind dabei, das neue System schneller zu akzeptieren. Der Partner fungierte erfolgreich als Brücke und Innovationsbeschleuniger, wodurch die Umsetzung deutlich effizienter verlief.
Kulturelle Offenheit und Lernfähigkeit
Technische Veränderungen entfalten ihren Nutzen nur, wenn sie organisatorisch und kulturell begleitet werden. „Ein aktives Organizational Change-Management sorgt dafür, dass Mitarbeitende über Ziele, Fortschritte und Nutzen informiert sind, dass sie bereit sind, den Veränderungsprozess mitzugehen und sich sicher in diesem bewegen“, so Wittkop. Eine offene Kommunikationskultur, die Fragen zulässt, Feedback einholt und Erfolge sichtbar macht, schafft Vertrauen und Motivation. Erfolgreiche Unternehmen setzen auf regelmäßige Austauschformate, kurze Informationswege und transparente Entscheidungsprozesse.
Digitalisierung bedeutet Wandel – und Wandel verlangt Veränderungsbereitschaft. Erfolgreiche Organisationen sollten bereit sein, liebgewonnene, aber überholte Prozesse kritisch zu hinterfragen. Sie setzen, wo möglich, bewusst auf Standardfunktionen und individualisieren nur dort, wo kundenspezifische Anpassungen einen echten Mehrwert bieten. Gleichzeitig kultivieren sie eine Lernkultur: Aus jedem Projekt werden Lessons Learned abgeleitet, die in zukünftige Initiativen einfließen. Feedbackschleifen und kontinuierliche Verbesserungsprozesse sorgen dafür, dass Organisationen an jedem Projekt wachsen.
Praxisbeispiel: Kultur der kontinuierlichen Verbesserung
Eine mittelständige europäische Werft wollte ihre Projektmanagement-Prozesse digitalisieren, um Bauzeiten, Materialfluss und Ressourceneinsatz transparenter zu gestalten. Die Einführung eines standardisierten Tools stieß zunächst auf Widerstand, da viele Abteilungen an ihren bisherigen Excel- und Papierprozessen hingen.
Die Erfolgsfaktoren: - Die Werft setzte bewusst auf Standardfunktionen des Tools, um Komplexität zu vermeiden, und passte nur wenige Module für echte spezifische Anforderungen an.
- Führungskräfte kommunizierten offen den Nutzen des Tools und förderten eine Lernkultur: Mitarbeitende wurden aktiv geschult, und Feedback zu Problemen und Verbesserungsvorschlägen wurde ernst genommen.
- Lessons Learned aus ersten Pilotprojekten wurden dokumentiert und flossen direkt in die Optimierung weiterer Rollouts ein.
- Regelmäßige Retrospektiven ermöglichten es, Prozesse kontinuierlich zu hinterfragen und anzupassen, ohne dass Widerstände die Einführung verzögerten.
Ergebnis: Die Organisation entwickelte ein stärkeres Bewusstsein für kontinuierliche Verbesserung. Das Projektmanagement-Tool wurde innerhalb weniger Monate erfolgreich eingeführt, die Akzeptanz bei den Mitarbeitenden ist hoch, und Prozesse wurden effizienter und transparenter. Durch die gelebte Lernkultur konnte die Werft anschließend auch andere Digitalisierungsprojekte schneller und erfolgreicher umsetzen.
Digitalisierungsprojekte sind kein Selbstzweck, sondern der strategische Hebel für die Zukunftsfähigkeit und Wettbewerbsstärke eines Unternehmens. Ihr Erfolg hängt weit weniger von Technologie als von klarer Strategie, starker Führung, strukturierter Zusammenarbeit und kultureller Offenheit ab, wie die erwähnten Praxisbeispiele zeigen. Unternehmen, die Digitalisierungsinitiativen ganzheitlich betrachten – strategisch, organisatorisch, methodisch und kulturell – schaffen die besten Voraussetzungen, um ihre Projekte nicht nur erfolgreich umzusetzen, sondern nachhaltig Wirkung zu entfalten.
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