Etwa zwei Drittel des Wissens eines Unternehmens stecken heute in den Köpfen der Mitarbeiter*innen oder verteilen sich über lokale Festplatten und unterschiedliche Datensilos. Dieses Wissen ist essenziell für die Produktentwicklung und -fertigung, letztlich aber für den gesamten Lebenszyklus des Produkts bis hin zu seiner Entsorgung. Die KI ist das entscheidende Mittel, um diesen verborgenen Wissensschatz zu heben und mit den strukturierten Informationen in den PDM/PLM-Systemen zu verknüpfen. Und das viel schneller als es manuell möglich wäre. Außerdem versetzt die KI das klassische PDM, das nur in geringem Umfang fehlertolerant ist, in die Lage, auch mit nicht korrekten oder unvollständigen Daten umzugehen.
Im PLM-Kontext wird heutzutage in der Regel „schwache KI“ zur Lösung gezielter Problemstellung eingesetzt. Starke KI-Systeme, die schlussfolgern können und damit neue Lösungsräume erschließen, stecken noch in den Kinderschuhen. Durch den Einsatz schwacher KI sollen bestehende Prozesse in der Produktentwicklung, die einen hohen repetitiven Anteil an Tätigkeiten besitzen und Daten aus vielen heterogenen Quellen schöpfen, vereinfacht und optimiert werden. Zudem lernt das System, Mutmaßungen über noch in der Zukunft liegende Zustände des jeweiligen Prozesses anzustellen. Dadurch lassen sich bisher noch nacheinander erfolgende Prozessschritte in erheblichem Umfang parallelisieren und so die Prozessdurchlaufzeit signifikant verkürzen. Dazu muss die KI lernen, auf Basis heterogener, dezentraler Informationen geeignete Vorschläge zu machen und wirklichkeitsnahe Vorhersagen zu treffen.
Ein gutes Beispiel ist das Stücklisten-Management: Heute werden Stücklisten im Automobilbau meist durch manuelle Anreicherung und Aktualisierung von Vorgängerstücklisten auf Basis verstreuter, kaum homogenisierter Information erzeugt. Bei den immer kürzeren Innovationszyklen und der immer größeren Varianz in den Fahrzeugklassen ist dieses Vorgehen jedoch schwierig. Vor allem aber macht es disruptive Entwicklungen wie Elektro-Autos oder autonome Fahrzeuge zu einer besonderen Herausforderung. Deshalb haben wir für einen großen OEM ein Konzept entwickelt, wie man diese Stücklisteninitialisierung mit KI teil-automatisieren kann. Dazu müssen die Algorithmen lernen, Ähnlichkeiten zwischen einem neuen Fahrzeug und den Vorgängermodellen zu erkennen oder auch zu erkennen, dass es sich um etwas disruptiv Neues handelt.
Eine der Hürden bei solchen KI-Vorhaben ist es oft, genügend Trainingsdaten zu haben, um die neuronalen Netze maschinell anlernen zu können. Vor diesem Problem stehen auch die Konsortialpartner des vom BMBF geförderten und vom Heinz Nixdorf Institut der Uni Paderborn geleiteten Forschungsprojekts ImPaKT. Ziel des Vorhabens ist es, die technischen und finanziellen Auswirkungen von Änderungen durch einen MBSE-basierten (Model-based Systems Engineering) Lösungsansatz und mit KI-Unterstützung zuverlässiger analysieren zu können. Die KI wird unter anderem dazu genutzt, textbasierte Anforderungsdokumente auszuwerten und daraus strukturierte Anforderungen abzuleiten. PROSTEP entwickelt im Rahmen des Projekts einen Software-Baustein, der die Auswirkungen von Änderungen an prognostizieren soll.