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thyssenkrupp Presta steuert Zukunft
mit System Lifecycle Management

Von Mario Leber

Der Komplettanbieter für Lenksysteme der thyssenkrupp, die thyssenkrupp Presta AG, hat ein ehrgeiziges System Lifecycle Management*-Projekt gestartet, um seine zukünftigen Engineering-Prozesse und IT-Landschaft für das Model Based Systems Engineering (MBSE) zu befähigen. Erster Schritt in Richtung SLM ist die Implementierung einer neuen PLM-Lösung. PROSTEP steuert das SLM-Team durch den Prozess der technischen Spezifikation und Systembewertung.


Die thyssenkrupp Presta AG in Eschen ist die Führungsgesellschaft des zum Automobilgeschäft von thyssenkrupp gehörenden Bereichs thyssenkrupp Steering. Der Automobilzulieferer gehört zu den weltweit größten Herstellern von Lenksystemen und ist Technologieführer im Bereich der Kaltschmiedetechnik. Jedes vierte Auto der Welt fährt mit einer thyssenkrupp-Lenkung. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Eschen, Liechtenstein, verfügt über 17 Standorte - vier Technologiezentren (zwei inkl. Fertigung) und 15 Produktionsstätten mit weltweit rund 9000 Mitarbeitern. Während die mechanische Konstruktion hauptsächlich in Liechtenstein erfolgt, ist der Entwicklungsstandort Budapest, Ungarn, das Kompetenzzentrum für E/E-Hardware (Elektrik/Elektronik) und Softwareentwicklung.

Viele der Herausforderungen, vor denen thyssenkrupp steht, sind den aktuellen Trends in der Automobilindustrie wie autonomes Fahren, E-Mobilität und Car-to-Car-Connectivity, aber auch auf strengeren Sicherheits- und Umweltanforderungen geschuldet. Die Lenkung kann viel zur Reduzierung der Co2-Emissionen beitragen. Kunden benötigen neue Lenkungstechnologie für autonome Fahrzeuge und wollen, dass das Lenkgefühl anpassbar ist. Sie wollen die Kosten durch plattformübergreifende Entwicklungen senken, was auf der anderen Seite einen höheren Grad an Modularität und Standardisierung der Lenksysteme erfordert. So hat sich das Unternehmen im Laufe der Zeit vom Komponentenhersteller zu einem Anbieter komplexer mechatronischer und cybertronischer Systeme entwickelt, der heute mehr Hard- und Softwareingenieure als Mechanik-Konstrukteure beschäftigt.


PLM als Grundstein für SLM

Neue Steuerungsfunktionen werden hauptsächlich in E/E und Software abgebildet, was die Komplexität von Produkten und Produktentwicklung deutlich erhöht. Angesichts der zunehmenden Produktkomplexität wird der Bedarf an integrierten Prozessen und digitaler Durchgängigkeit immer wichtiger, wie Dr. András Balogh, Chief Technology Offier E/E Competence Center in Ungarn, betont. "Wir können die Produkte von morgen nicht mit den Engineering-Methoden und Technologien von gestern gestalten. In Zukunft wird sich der Soll-Entwicklungsprozess dem Model Based Systems Engineering und dem mechatronischen V-Modell-Ansatz deutlich annähern. Das ist das langfristige Ziel, das wir mit SLM verfolgen."

Die Definition der SLM-Strategie und Roadmap war ein längerer Prozess, da das Projektteam zunächst ein gemeinsames Verständnis dafür entwickeln musste, wohin die Reise gehen sollte und was es für seinen Weg zum digitalisierten Engineering benötigte. Ein Großteil der Beratungsarbeit von PROSTEP bestand darin, den Abstimmungsprozess des Teams zu moderieren und mit einem systemneutralen SLM-Konzept die Grundlage für den PLM-Auswahlprozess zu legen. "Der wichtigste Beitrag von PROSTEP war es, uns zu helfen, zu verstehen, was wir benötigen, und zweitens eine herstellerneutrale Meinung darüber zu äußern, was die Lösungen auf dem Markt leisten können", sagt Wolfgang Xander, der für die semizentrale Entwicklung und den Geschäftsprozess verantwortlich ist.

Der Austausch der bestehenden Agile e6 PLM-Installation ist eine große Notwendigkeit, da die Software recht veraltet ist und thyssenkrupp Presta keine Verbesserungen mehr sieht. Es geht aber nicht darum, eine Lösung aus einer Hand zu haben, sondern eine modulare Architektur zu implementieren. "Wir brauchen eine stabile PLM-Plattform als Kern von SLM, um ein Backbone aufbauen zu können, das alle anderen im Engineering verwendeten Subsysteme integriert und einen Informationszugang zu verbundenen, klaren und konsistenten Daten bietet", erklärt SLM-Projektleiter Klaus Brandner.

Die IT-Infrastruktur des Unternehmens ist sehr heterogen und bei weitem nicht integriert. Es besteht aus verschiedenen CAD-Systemen für das mechanische Design, Altium für die E/E-Entwicklung mit nur rudimentärer Integration in Agile e6 PLM und verschiedenen Tools für die Softwareentwicklung, die über eine proprietäre Application Lifecycle Management (ALM)-Umgebung verbunden sind. Das Unternehmen hat große Anstrengungen unternommen, die Werkzeugkette zu integrieren, um ASPICE und andere Standards zu erfüllen, die eine Rückverfolgbarkeit von der Anforderungsklassifizierung bis hin zu Test und Validierung erfordern. "Dennoch ist die Softwareentwicklung immer noch von der PLM-Welt getrennt", wie András Balogh und Patrick Schäfer, IT-Architekt Engineering IT, erklären.

Proof of Concept steht am Anfang

Mit Hilfe von PROSTEP erarbeitete das Projektteam eine lange Liste von Anforderungen, um eine kurze Liste von PLM-Anbietern auszuwählen, mit denen das Unternehmen Anfang nächsten Jahres einen Proof of Concept durchführen wird. "Wir haben Testfälle entlang des gesamten Produktlebenszyklus definiert, angefangen beim Requirements Engineering bis hin zur Funktionsmodellierung, einschließlich eines Multi-BOM-Managements bezüglich der Stückliste", erklärt Brandner. Derzeit verwendet das Unternehmen nur eine (Fertigungs-)Stückliste im PLM-System, "was für die Ingenieure einen enormen Aufwand bedeutet, da jede Veränderung in der Lieferkette, in der Logistik oder in der Fertigung auf sie zurückfällt", sagt Xander.

Nach dem Proof of Concept wird thyssenkrupp Presta eine längere Pilotphase mit dem alten und neuen PLM-System parallel durchführen. Ziel ist es, Funktionsbereiche wie Requirements Engineering oder Master Data Management (MDM) in die neue Umgebung zu migrieren und global auf alle am Prozess beteiligten Bereiche auszurollen. "Eine Migration nach Projekten oder Standorten würde zu großen Störungen in der Organisation führen, da viele Altdaten in neuen Projekten wiederverwendet werden", erklärt Brandner.

Ein gemeinsames Requirements Engineering von der Systemebene bis hinunter zu den domänenspezifischen Anforderungen wird eine der Schlüsselfunktionen der neuen PLM-Lösung und ein wichtiger Enabler von MBSE sein. Kundenanforderungen werden in der Regel in DOORS verwaltet, aber - mit Ausnahme von Hard- und Software - gibt es keine Rückverfolgbarkeit für das Design einer Implementierung. Für Software verwendet das Unternehmen ein proprietäres AutoSAR-Tool, das in das Anforderungsmanagement und die Testspezifikation integriert ist, wie Balogh sagt: "Idealerweise möchten wir die gleiche Umgebung für das Management von Kundenanforderungen, internen Systemanforderungen sowie Soft- und Hardwareanforderungen nutzen, um eine durchgängige Rückverfolgbarkeit über den gesamten Prozess entlang der (linken) Seite des V-Modells zu gewährleisten".

"Die größte technische Herausforderung wird die Integration der verschiedenen Tools in das neue Presta System Lifecycle Management Backbone sein", führt Brandner weiter aus. thyssenkrupp Presta wird wahrscheinlich einige der bestehenden Tools ersetzen müssen, die möglicherweise nicht auf eine einfache Integration ausgelegt sind. Noch größer wird die Herausforderung sein, das Unternehmen an die neuen Wege der bereichsübergreifenden Zusammenarbeit und Kommunikation anzupassen, die Veränderungen in der Verantwortung und neue Rollen erfordern könnten. "Es macht keinen Sinn, im neuen Umfeld mit einer Organisation zusammenzuarbeiten, die 30 oder mehr Jahre alt ist", sagt Balogh abschließend.

* SysLM oder SLM in der thyssenkrupp Steering eigenen Formulierung

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