Frage: Man muss aber kein Ingenieur sein, um Mitglied bei IOG werden zu können?
Saygin: Nein, keinesfalls. Aber wenn wir zu einem Projekt rausgehen, brauchen wir vor Ort natürlich Ingenieure, um mit so wenig Manpower wie möglich viel zu bewegen.
Frage: Was unterscheidet IOG von einer Organisation wie dem Technischen Hilfswerk?
Saygin: Das THW leistet keine Hilfe zur Selbsthilfe, sondern hilft in einer konkreten Notsituation wie nach dem Tsunami 2004 mit einem riesigen Maschinenpark und top ausgebildeten Spezialisten. Unser Ansatz ist dagegen eine auf Nachhaltigkeit angelegte Entwicklungszusammenarbeit. Ein weiterer Unterschied zu anderen Organisationen ist, dass wir großen Wert auf den ehrenamtlichen Einsatz legen. Etwa 1.000 unserer 3.750 Fördermitglieder bringen sich aktiv in die Vereinsarbeit ein oder sind in Auslandsprojekten im Einsatz. Und sie werden nicht dafür bezahlt – unsere Ingenieure machen das in ihrer Freizeit und zahlen z.T. auch die Reisekosten aus eigener Tasche.
Frage: Warum entfallen trotzdem 30 Prozent Ihrer Ausgaben auf Personal- und administrative Kosten?
Saygin: Im Gegensatz zu vielen anderen NGOs arbeiten bei Ingenieure ohne Grenzen alle ausreisenden Aktiven ehrenamtlich. Daher fallen die Projektausgaben im Verhältnis zu den allgemeinen Kosten niedrig aus. Die Bilanz sähe anders aus, wenn wir die ehrenamtlich geleisteten Ingenieurstage einrechnen könnten, was aber im Gesetz so nicht vorgesehen ist.
Frage: Im Jahr 2017 waren die Spenden und Zuschüsse rückläufig. Wie haben sich die Einnahmen denn 2018 entwickelt?
Saygin: Wir hatten über die letzten 15 Jahre ein stabiles Wachstum, mit einer Delle im Jahr 2017 und einem neuen Höchstsand von knapp 1,2 Millionen Euro im Jahr 2018, den wir 2019 wohl noch einmal toppen werden.
Frage: Welches sind neben der Wasserversorgung wichtige Projektschwerpunkte der IOG. Was tut der Verein zum Beispiel gegen den Klimawandel?
Saygin: Zunächst mal machen wir nicht nur Projekte zur Wasserversorgung, sondern auch sehr viel Wasserentsorgung, was ein komplett anderer Bereich ist. Außerdem haben wir eine Kompetenzgruppe Brückenbau, die in den letzten Jahren mehrere Brücken gebaut hat. In Nepal führen wir ein Projekt zum erdbebensicheren Wiederaufbau durch. Wir haben in Afrika Kleinstwasserkraftwerke gebaut, um Strom in Dörfer zu bringen, die komplett von der Stromversorgung abgeschnitten sind.
Bei den Projekten zur Energieversorgung setzen wir ausschließlich auf erneuerbare Energien. Wir stellen nirgendwo Dieselgeneratoren auf und beteiligen uns auch nicht an Kraftwerksbauten, in denen fossile Brennstoffe genutzt werden, sondern setzen auf Photovoltaik, Biogas oder Solarthermik. Und wir arbeiten bei Bauvorhaben meist mit Lehmziegeln statt mit gebrannten Ziegeln, um die Holzverbrennung zu vermeiden. Wenn es um die Vermeidung von CO2 in großem Maßstab geht, sind die Projekte für uns noch eine Nummer zu groß, aber im Kleinen sind wir sehr sensitiv, was das Thema angeht.
Frage: Wie viele Projekte realisiert IOG im Jahr?
Saygin: Im letzten Jahr waren es 46 parallellaufende Projekte im In- und Ausland und in diesem Jahr werde es ähnlich viele sein.
Frage: Wie gehen Sie bei den Projekten vor? Sie machen ja nicht nur die Projektierung, sondern auch die Umsetzung?
Saygin: Wir arbeiten prinzipiell mit lokalen Partnern zusammen, was vielleicht auch ein Aspekt ist, der uns von anderen Organisationen unterscheidet. Meist sind das kleine Nichtregierungsorganisationen, die über unterschiedliche Kanäle oder persönliche Kontakte auf uns aufmerksam werden. In unseren Regionalgruppen engagieren sich z.T. Studierende, die aus den jeweiligen Ländern stammen. Wir haben in Deutschland mittlerweile 33 Regionalgruppen. Sie schlagen die Projekte vor, sammeln nach der Erkundung vor Ort und der Genehmigung der Projekte durch die jeweiligen Fachgruppen das Geld und gehen dann in die Implementierung. Aber, wie gesagt, immer in Zusammenarbeit mit den lokalen Partnern und unter Nutzung von lokalen Materialien und Arbeitskräften.
Frage: Arbeiten Sie bei Projekten auch mit anderen Hilfsorganisationen zusammen?
Saygin: Ja, da kann ich Ihnen sogar ein aktuelles Beispiel geben. Wir haben gerade eine Anfrage von einer großen ärztlichen Hilfsorganisation erhalten, die in einem Kriegsgebiet unterwegs ist und Schwierigkeiten mit der Logistik hat. Die brauchen eine Landepiste, um die Hilfsgüter ins Land zu bekommen. Das ist eine typische Ingenieursaufgabe, die wir übernehmen, damit andere Hilfsorganisationen überhaupt tätig werden können. Wir haben auch vor Ort oft Kontakt zu anderen Hilfsorganisationen.