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Wie schneidet man die PLM-Elefanten in Scheiben?

Von Bernd Pätzold

Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, ihre in die Jahre gekommenen PLM-Landschaften zu modernisieren. Das gilt vor allem für die PLM-Pioniere unter ihnen, die schon vor mehr als 20 Jahren die ersten Management-Systeme für die Verwaltung ihrer mechanischen Produktdaten eingeführt haben. Vielfach werden diese Systeme nicht weiterentwickelt oder sie werden den neuen Anforderungen an die Entwicklung cybertechnischer Systeme mit einem hohen Elektronik- und Software-Anteil nicht mehr gerecht. Ihre Software-Architekturen erschweren die schnelle Integration neuer Werkzeuge und Funktionen, die notwendig sind, um agil auf neue Markt- und Kundenanforderungen reagieren zu können.

Die Modernisierung einer bestehenden PLM-Systemlandschaft ist in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderung. Zunächst einmal müssen sich die Unternehmen darüber klar werden, welche PLM-Fähigkeiten sie eigentlich in Zukunft benötigen werden, um erfolgreich am Markt operieren zu können. Die Antwort auf diese Frage ist stark von ihrer Geschäftsstrategie und den künftig zu unterstützenden Geschäftsprozessen und -modellen abhängig. Welche Rolle spielt z.B. die Software in ihren smart vernetzten Produkten? Welche Bedeutung haben das Internet of Things (IoT) und die Nutzung von Betriebsdaten für die Entwicklung neuer Services oder neuer Product-as-a-Service-Angebote?

Eine neue PLM-Landschaft entsteht nicht im luftleeren Raum, sondern muss im Kontext einer umfassenderen Enterprise Architecture (EA) konzipiert werden. Die EA beschreibt das Zusammenspiel zwischen Geschäftsprozessen, Informationsflüssen und IT-Systemen.

Um es besser analysieren zu können, haben unsere Expert*innen für die PLM-Strategieberatung einen Best Practices-Ansatz entwickelt, der sich Information Flow Analysis (IFA) nennt. Er ermöglicht die Definition einer an den Business-Anforderungen ausgerichtete PLM-Architektur, einschließlich der Frage, wie die IT-Anwendungen integriert werden müssen, um die Geschäftsprozesse optimal zu unterstützen. In diesem Newsletter finden Sie dazu ein paar interessante Beispiele aus dem Schiffbau.

Die Definition der künftigen PLM-Architektur ist eine Sache, ihre Umsetzung eine andere. Für die großen Unternehmen in der Automobil- und Zulieferindustrie ist es schon aus Gründen des damit verbundenen Risikos völlig undenkbar, ihre bestehenden PLM-Landschaften mit einer Vielzahl monolithischer IT-Systeme auf einen Schlag zu ersetzen. Stattdessen müssen sie ihr „Brownfield“ Schritt für Schritt mit grünen Inseln durchsetzen. Das erfordert eine Roadmap mit klaren Prioritäten für den Umbau ihrer PLM-Landschaft.

Die Herausforderung beim Umbau besteht darin, die PLM-Elefanten möglichst effizient und mit wenig Beeinträchtigung des laufenden Betriebs in kleinere Scheiben zu schneiden. Dabei hat jeder OEM ein etwas anderes Schnittmuster im Kopf, je nachdem wie seine aktuelle PLM-Landschaft aussieht bzw. wie seine künftige Bebauung aussehen soll. 

Einige Hersteller setzen nach wie vor stärker auf kommerzielle Lösungen, während andere nicht nur die Entwicklung der Fahrzeug-Software, sondern auch die Entwicklung der unterstützenden IT-Systeme wieder stärker in die eigene Hand nehmen wollen.

Allen gemeinsam sind bestimmte Grundprinzipien, was den Aufbau der künftigen PLM-Architekturen angeht. Dazu gehört das Prinzip der Modularisierung bzw. der Föderalisierung der Anwendungen mit Hilfe weitgehend unabhängiger MicroServices, was notwendigerweise offene, integrationsfähige IT-Systeme, aber auch neue Konzepte der Datenintegration erfordert. Statt Daten zu replizieren, geht es darum, sie intelligent zu verlinken, so dass sie system- und domänenübergreifend genutzt werden können. Die Semantic Web Technology in Kombination mit einheitlichen Ontologien, d.h. einer abgestimmten und maschinenverständlichen Begrifflichkeit, ist deshalb ein wesentliches Element einer zukunftsfähigen PLM-Architektur.

Ein innovativer Ansatz für die Modularisierung monolithischer PLM-Landschaften, den unsere PLM-Expert*innen derzeit bei dem OEM mit dem Stern implementieren, ist das Domain-Driven Design. Ziel des Ansatzes ist es, den Fachbereichen bzw. bestimmten Anwendergruppen innerhalb der Fachbereiche schlanke Anwendungen mit aufgabenspezifischem Funktionsumfang, eigenem Datenmodell und eigenen Oberflächenkomponenten zur Verfügung zu stellen, die mit den Nachbar-Domänen über klar definierte Schnittstellen Daten austauschen und Dienste teilen. Der für die jeweilige Domäne erforderliche Funktionsumfang soll aus den Legacy-Systemen herausgelöst, in Container gepackt und zusammen mit den Datenmanagementkomponenten orchestriert werden, um dann in die Cloud umzuziehen. Dadurch dass die Anwendungen weitgehend eigenständig funktionieren, lassen sie sich – so jedenfalls die Idee - praktisch im Tagesrhythmus an neue Anforderungen anpassen.

Auch bei anderen Unternehmen ist die Cloud bzw. die Nutzung von Software aus der Cloud fester Bestandteil der künftigen PLM-Strategie. Es scheint, als habe die Pandemie hier die letzten Zweifel in punkto Sicherheit und Zuverlässigkeit hinweggefegt. PROSTEP ist auf diesen Paradigmenwechsel gut vorbereitet, aber ich bin gespannt, wie sich dieser Trend auf den PLM-Markt insgesamt auswirken wird. Ungeachtet der drohenden Rezession klagen nämlich viele PLM-Hersteller heute schon über fehlende Kapazitäten, um die anstehenden Projekte abzuwickeln.

Ihr Bernd Pätzold

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