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Die Benutzeroberfläche spricht für die Qualität einer Software

Ein Interview mit Franz Koller

Mit Unterstützung der User Interface Design GmbH gestaltet PROSTEP zurzeit die Weboberfläche der weltweit führenden Datenaustausch-Plattform OpenDXM GlobalX neu. UID-Geschäftsführer Franz Koller erläutert im Interview die aktuellen Entwicklungstrends bei der Gestaltung von Benutzeroberflächen hinsichtlich Usability und User Experience sowie die Vorteile einer ergonomisch gestalteten Oberfläche für den Kunden.

Frage: User Interface Design ist ein weites Feld, angefangen von Webseiten über mobile Apps und Software-Programme bis zu Oberflächen für Maschinen oder Hausgeräte. Wo liegen die Tätigkeitsschwerpunkte von UID?

Koller: Wir sind als Unternehmen sehr breit aufgestellt. Wir gestalten und entwickeln benutzerzentrierte interaktive Produkte und Services für alle Branchen. Unsere Kunden kommen aus den Bereichen Automotive, Consumer, Medizin, Enterprise und der Industrie. Als Dienstleister unterstützen wir sie in allen Phasen der Produktentwicklung. So haben wir im Unterschied zu Wettbewerbern eine eigene Software-Entwicklungsabteilung mit rund 25 Mitarbeitern, die auf die Umsetzung von anspruchsvollen User-Interface-Konzepten spezialisiert ist. 

Frage: Wo liegen die wesentlichen Herausforderungen bei der Gestaltung von Benutzeroberflächen für Software-Programme?

Koller: Apps, die wir privat nutzen, prägen mit ihrem reduziertem, aber stark zielgruppen- bzw. aufgabenspezifischem Funktionsumfang sowie ihrer einfachen Bedienung auch unsere Erwartungen an B2B-Anwendungen. Für Software-Hersteller ergibt sich dadurch die Notwendigkeit, ihre umfangreichen Anwendungen so zu modularisieren, dass die Funktionen für unterschiedliche Zielgruppen optimal aufbereitet werden können. Das heißt, es gibt nur nicht eine Desktop-Anwendung, die alle Funktionen bündelt, sondern viele kleinere Apps, die bestimmte Elemente der Anwendung sehr einfach und intuitiv zugänglich machen. Die Herausforderung für Hersteller ist es, über alle Anwendungen hinweg Interaktion und Design einheitlich zu gestalten und dem Nutzer eine konsistente Markenerfahrung zu ermöglichen.

Frage: Eine moderne Benutzeroberfläche muss also vor allem modular und zielgruppenorientiert sein?

Koller: Ja, das sind auf jeden Fall wichtige Punkte. Zusätzlich spielt heute das Responsive Design, also die Optimierung der Benutzeroberfläche für unterschiedliche Bildschirmauflösungen, eine entscheidende Rolle. Dabei stehen wir vor der Frage, ob wir den Mobile-First-Ansatz verfolgen, d. h. zuerst mit der für mobile Geräte optimierten Version beginnen und diese sukzessive erweitern oder ob wir umgekehrt vom größten Device ausgehen. Meistens nähern wir uns von beiden Seiten an.

Frage: Bedienerfreundlichkeit ist ein beliebtes Marketing-Schlagwort. Gibt es dafür überhaupt einheitliche Kriterien?

Koller: Ja, die gibt es. Sie sind in der DIN/ISO 9241 spezifiziert. Benutzerfreundlichkeit wird heute oft mit intuitiver Bedienung gleichgesetzt. Doch was bedeutet intuitiv? Intuition baut immer auf dem Erfahrungswissen der Anwender auf, weshalb die Anforderungserhebung am Anfang des Designprozesses so wichtig ist. Mit dieser finden wir mehr über die Nutzer, deren Aufgaben, Erfahrungshorizont und die Nutzungsumgebung heraus. Wer beispielsweise die Oberfläche für eine Schweißmaschine optimal gestalten will, muss mit dem Schweißer in der Fertigung sprechen und nicht nur mit dem Entwicklungsingenieur. Wird ein Produkt weltweit vertrieben, müssen Designer außerdem bei der Internationalisierung die unterschiedlichen Arbeitsweisen und die unterschiedliche Qualifikation der Anwender in anderen Ländern berücksichtigen.

Frage: Das heißt aber doch, dass Sie die Anforderungen global erfassen müssen. Wie gehen Sie dabei vor?

Koller: Idealerweise führen wir hierzu weltweite Nutzerstudien durch, um die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten der Zielländer bei der Gestaltung berücksichtigten zu können. Natürlich ist dies aus Budgetgründen nicht immer im vollen Umfang möglich. Dann müssen wir nach Kompromisslösungen suchen: Das heißt, wir schauen uns nur die wichtigsten Märkte an oder versuchen über die Außendienst-Mitarbeiter des Kunden mehr über landesspezifische Besonderheiten zu erfahren. Natürlich profitieren wir auch von unserer langjährigen Erfahrung in der Gestaltung international einsetzbarer User Interfaces.

Frage: Und wie wird aus den Anforderungen dann eine Benutzeroberfläche?

Koller: Die Anforderungen überführen wir in der Konzeptphase in einen Click Dummy. Dabei bringen wir unsere Erfahrung über Nutzer, Anwendungsgebiete und Lösungsansätze ein. Gerade im Enterprise-Umfeld gibt es für viele Aufgabenstellungen bestimmte Grundmuster, die Nutzer kennen und die man aufgreifen sollte, um eine einfache Bedienung zu ermöglichen. Die Click Dummys werden in der Regel als Wireframes gestaltet, die das grobe Layout, die Struktur der Benutzungsoberfläche und die Bedienabläufe abbilden. Diese Prototypen stimmen wir dann mit den Kunden ab, testen sie mit Nutzern und entwickeln sie auf dieser Basis weiter. Ergänzend zum Konzept-Entwurf arbeiten wir den Designstil aus. Hier geht es darum, die Ästhetik und Qualität der Marke an die Oberfläche zu bringen. Bei vielen technischen, komplexen Produkten ist der Kunden nicht in der Lage die Qualität eines Produkts zu überprüfen. Er muss sich auf das verlassen, was er sieht und anfassen kann. Strahlt die Benutzeroberfläche Präzision und Qualität aus, dann folgert der Nutzer, dass er dies auch von dem nicht sichtbaren Teil, der Technik im Hintergrund, erwarten kann. Im Industrieumfeld achten wir außerdem auf ein zeitloses Design, weil die Anwendungen über einen längeren Zeitraum genutzt werden.

Frage: Welche Vorteile bieten Usability-Tests bei der Absicherung der Oberflächen?

Koller: Es ist wichtig, den Nutzer nicht nur zu befragen, sondern wie bei Usability-Tests bei der Durchführung seiner Aufgaben zu beobachten und seine Reaktionen aufzeichnen. Man sieht häufig schon an seinem Gesichtsausdruck, dass er sich in einer bestimmten Bediensituation schwertut, auch wenn er hinterher bei der Befragung sagt, dass er damit keine Probleme hatte.

Frage: Ist Usability denn für die Software-Hersteller ein Wettbewerbsvorteil, der bei der Systemauswahl berücksichtigt wird?

Koller: Früher hätte ich ihnen vielleicht gesagt, Usability ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Heute würde ich eher sagen, eine schlechte Usability ist ein Wettbewerbsnachteil, denn sie wirkt sich negativ auf die Reputation eines Unternehmens aus. Solche Informationen werden heute sehr schnell in Blogs und Foren weitergegeben. In bestimmten Branchen wird Usability bzw. die Durchführung von Usability-Maßnahmen verpflichtend gefordert. Damit Medizinprodukte in den USA durch die FDA zugelassen werden, müssen Hersteller nachweisen, dass ihre Produkte die Usability-Kriterien erfüllen. Soweit sind wir in der Software-Industrie nicht.

Frage: Und wie sieht das aus Kundensicht aus? Verbesserte eine gute Usability seine Produktivität?

Koller: Definitiv. Es gibt leider wenige Unternehmen, die eine Vorher-Nachher-Betrachtung durchführen lassen. Bei den wenigen Kunden, bei denen wir sie machen durften, haben sich Produktivitätszuwächse von 20 bis 30 Prozent durch die neue Benutzerführung ergeben. Außerdem hat sich der Schulungsaufwand deutlich reduziert. Solche Nutzeneffekte kann man auch bei Software-Anwendungen wie der von PROSTEP erwarten.

Frage: Verändert sich eigentlich das Verständnis dessen, was als bedienerfreundlich betrachtet wird, im Laufe der Zeit?

Koller: Die Erwartungshaltung verändert sich. Was vor zehn Jahren noch cool war, ist inzwischen langweilig. Man spricht auch nicht mehr von der reinen Usability, sondern von User Experience, die deutlich über Usability hinausgeht. Es geht darum, bei der Nutzung positive Emotionen auszulösen und die Marke durch diese Erlebnisse zu unterstützen. Die User Experience ist ein maßgeblicher Faktor für die Kundenbindung. Das hat Apple ganz hervorragend umgesetzt. Apple-Kunden sind aufgrund des Markenversprechens wesentlich toleranter als Kunden anderer Marken.

Frage: Wo geht die Reise hin beim User Interface Design? In Richtung Augmented Reality oder in Richtung Sprachsteuerung?

Koller: In der Augmentierung sehe ich ein riesiges Potential, da die reale Welt mit virtuellen Zusatzinformationen ergänzt werden kann. Umgekehrt sieht man mit dem Internet of Things den Trends, Interaktion im wahrsten Sinne wieder begreifbar zu machen. Die haptische Interaktion zum Beispiel über physische Eingabe-Elemente bietet eine ganz andere Qualität an Nutzungserfahrung. Die Steuerung per Sprache ist für spezifische Anwendungsfälle sinnvoll, hat aber nie die Qualität erreicht, die sie hätte erreichen können.
Ich denke die Herausforderung besteht in Zukunft darin, die unterschiedlichen Devices wie Augmented-Reality-Brillen, Smartphones oder Internet-of-Things-Lösungen so miteinander zu vernetzen, dass sie ihre unterschiedlichen Vorteile optimal ausspielen, dem Nutzer einen Mehrwert und ein begeisterndes Nutzungserlebnis bieten.

Herr Koller, wir danken für das Gespräch (Das Interview führte Michael Wendenburg).

 

 

 


Zur Person


Franz Koller (Jahrgang 1960) ist einer der Gründer und Geschäftsführer der User Interface Design GmbH (UID). Koller studierte Informatik an der Universität Stuttgart. Schon während des Studiums und später am Usability-Labor des Fraunhofer IAO legte er seinen Schwerpunkt auf Mensch-Maschine-Interaktion und beschäftigte sich mit der Frage, wie Software-Programme gestaltet sein müssen, damit der Endanwender gut damit arbeiten kann. 1998 gründete er zusammen mit Kollegen die User Interface Design GmbH, die heute am Hauptsitz in Ludwigsburg und an den Standorten Berlin, Dortmund, Mannheim und München rund 100 Mitarbeiter beschäftigt. Koller ist Mitglied im Vorstand des Fachverbands Software und Digitalisierung beim VDMA und engagiert sich auch in der Usability-Normierung.

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