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Die Kollaboration muss digitaler und synchroner werden

Von Karsten Theis

Das Hype-Thema des diesjährigen prostep ivip Symposiums war ohne Frage die Künstliche Intelligenz, die in Expert Corners, Workshops und sogar in einigen Kundenvorträgen aufgegriffen wurde. Insbesondere die Generative KI verspricht in Anwendungsbereichen wie der automatischen Code-Generierung spektakuläre Zeiteinsparungen. Die Frage, die ich mir jedoch stelle, ist, was die KI leisten kann, um die eigentliche Herausforderung der digitalen Produktentwicklung besser zu bewältigen, mit der sich die prostep ivip Community seit über drei Jahrzehnten herumschlägt: Die unternehmensübergreifende Kollaboration.

Unbestreitbar hat es dank der Arbeit der verschiedenen Projektgruppen des Vereins, aber auch dank einer Reihe von wichtigen Forschungsprojekten in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte auf dem Gebiet der unternehmensübergreifenden Kommunikation von Anforderungen, CAD- und PLM-Daten, Simulationsergebnissen, MBSE-Artefakten etc. gegeben. In den beiden Schwesterprojekten SETLevel und V & V, an denen PROSTEP maßgeblich beteiligt war, sind unter anderem die Grundlagen für eine domänenübergreifende Daten-Verlinkung im Bereich der Verifikation & Validierung gelegt worden, die die Kollaboration auf eine neue Grundlage stellen könnte.

Der Verein selbst hat mit dem Digital Data Package (DDP) eine Art Meta-Standard definiert, der es ermöglicht, die verschiedenen Informationsobjekte, die den digitalen Zwilling ausmachen, unter Nutzung existierender Standards in einem Datenpaket zusammenzuführen und anderen Partnern der Wertschöpfungskette bereitzustellen.

Aber diese Kommunikation ist immer noch recht schwerfällig und langsam, weil sie im Grunde genommen dokumentenbasiert und asynchron bleibt. Oder wie es Sebastian Handschuh von Mercedes-Benz im Vortrag über den Collaborative Digital Twin (CDT) so schön formulierte: Wenn eine Telefonnummer sich ändert, schicken wir immer noch ein ganzes Telefonbuch durch die Gegend. Das will die Projektgruppe CDT ändern.

Der asynchrone Datenaustausch wird der Dynamik der digitalen Produktentwicklung nämlich in vielen Fällen nicht mehr gerecht. Um flexibler auf neue Anforderungen oder Änderungen reagieren zu können, muss die Kollaboration digitaler und synchroner werden. Wir müssen es schaffen, die Daten über Unternehmensgrenzen hinweg zu verlinken und den Stakeholdern die Möglichkeit bieten, ein einzelnes Datenobjekt zu abonnieren. Ob die Data Spaces, die im Umfeld von Gaia-X entstehen, möglicherweise der geeignete Ort für die Abwicklung dieser Art von unternehmensübergreifender Kollaboration sein werden, sehe ich kritisch.

Wir brauchen neue Werkzeuge und Methoden, um diese Datenverlinkung zu realisieren. Die Daten in einen Data Lake zu kippen und darauf zu hoffen, dass die KI schon die richtigen Verbindungen herstellt, wird nicht funktionieren. Wir müssen ihr auf die Sprünge helfen, und dabei spielen Ontologien, d.h. die Schaffung gemeinsamer Begriffswelten, eine ganz zentrale Rolle. Nicht von ungefähr arbeitet die Projektgruppe CDT eng mit einer anderen Projektgruppe des Vereins zusammen, die sich die Vereinheitlichung der Ontologien im Verein zum Ziel gesetzt hat. Auch wir bei PROSTEP beschäftigen uns intensiv mit dem Thema und unterstützen namhafte Kunden aus der Automobilindustrie bei Initiativen zum Aufbau von unternehmensweiten Ontologien.

Ontologien sind nach meiner Einschätzung ein zentraler Aspekt beim Aufbau des berühmten Digital Threads, d.h. der domänen- und perspektivisch sogar unternehmensübergreifenden Verknüpfung aller relevanten Informationsobjekte eines digitalen Zwillings. Dieser digitale roten Faden ist Voraussetzung für die zeitliche Rekonstruktion bestimmter Informationsstände und -umfänge via Baselining und für die Sicherstellung der Nachverfolgbarkeit des gesamten Entwicklungsprozesses.

Bislang lassen sich die domänenübergreifenden Zusammenhänge in den meisten Unternehmen nur mit sehr viel Aufwand rekonstruieren und nicht in einer übersichtlichen Form visualisieren. Aber die Unternehmen sind sich dieser Achillesferse bewusst. Auf dem diesjährigen Symposium gab es eine Reihe von interessanten Vorträgen namhafter Automobilzulieferer wie Brose, Schaeffler oder Robert Bosch, die alle an Lösungen für die Traceability und das Baselining stricken.

Unternehmen, die sich diesen Aufwand sparen möchten, kann ich nur empfehlen, sich unsere Digital Thread-Plattform OpenCLM anzuschauen. In der Lösung haben wir unsere jahrzehntelange Erfahrung aus Integrationsprojekten mit Konzepten und Methoden aus der Forschung zusammengeführt. Entstanden ist eine leichtgewichtige aber hoch leistungsfähige Digital-Thread-Plattform, die Informationen dynamisch über alle System- und Domänengrenzen hinweg vernetzt. Nächster Schritt auf unserer Roadmap ist die KI-basierte, automatisierte Verlinkung von großen Mengen an Altdaten. Die dazu entwickelte KI-Engine wird dann dazu dienen, OpenCLM um weitere Anwendungsfälle wie die KI-basierte Auswirkungsanalysen von Änderungen zu erweitern.

Ihr Karsten Theis

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