Frage: Erfordern IT-Projekte im Mittelstand eine andere Herangehensweise?
Nagel: Sie erfordern ein anderes vertriebliches Vorgehen und auch eine andere Art der Projektleitung. Der Projektleiter darf sich nicht nur als Solution-Architekt verstehen, sondern braucht eine ganzheitliche Sicht auf die Dinge. Er muss die Ziele und den Business Case des Kunden und seine Prozesse verstehen und auch das Denken und Handeln der beteiligten Menschen. Ich glaube, dass viele Leute bei PROSTEP diese ganzheitliche Betrachtungsweise beherrschen. Sie müssen sie vielleicht noch etwas konsequenter anwenden und immer darüber nachdenken, wo sie dem Kunden sonst noch helfen können.
Frage: Der Mittelstand bevorzugt oft IT-Lösungen aus einer Hand und benötigt vielleicht auch Hilfe bei der Umsetzung von Industrie 4.0?
Nagel: Da wird sich die Welt verändern, weil es den, der alles aus einer Hand liefern kann, nicht mehr geben wird. Offenheit ist eine Grundvoraussetzung, um die Komplexität von Industrie 4.0 bewältigen zu können, weil die IT-Funktionen jetzt aus der Cloud über das Handy bis runter zur SPS-Steuerung durchgreifen. Die Kompetenz für diese Durchdringung kann niemand mehr ganzheitlich bieten, auch die großen IT-Anbieter nicht. Hier muss jeder bereit und in der Lage sein, in Teams von Mitgliedern aus verschiedenen Unternehmen und Organisationen zu arbeiten und ggf. solche heterogenen Teams auch zu managen. Die Fähigkeit zur konfliktarmen Zusammenarbeit im Sinne des Kunden ist gerade für mittelständische Unternehmen wichtig, weil sie nicht die Kapazitäten haben, selbst heterogene Teams zu steuern.
Frage: Sie würden also eher das Partnernetz aus- als zusätzliche Kompetenzen aufbauen?
Nagel: Ich glaube, dass PROSTEP dicht bei seinen Kernkompetenzen bleiben und nur sehr gezielt in zusätzliche Kompetenzen investieren sollte. Man braucht z. B. nicht unbedingt SAP-Kompetenz, sondern muss wissen, wer diese beisteuern kann. Wichtig ist es, kompetente Partner zu haben, mit denen man sich auf Augenhöhe begegnen und denen man vertrauen kann, auch wenn die Partnerwahl in vielen Fällen der Auftraggeber trifft. Man braucht nicht immer einen Generalunternehmer, sondern kann die Verantwortung gegenüber dem Kunden auch gemeinsam tragen - jeder für seinen Kompetenzbereich.
Herr Nagel, wir danken Ihnen für das Gespräch. (Das Interview führte Michael Wendenburg)