PROSTEP unterstützt SONACA bei der Teamcenter-Migration
Von Gerold Willmes
PLM-Migrationen sind immer eine Herausforderung mit hohem Risiko des Scheiterns. Das gilt vor allem in der Flugzeugindustrie mit ihren langen Produktlebenszyklen und ihren strengen Anforderungen in puncto Nachverfolgbarkeit. Mit der Hilfe von PROSTEP und seiner leistungsfähigen Migrationsplattform OpenPDM hat der belgische Aerospace-Zulieferer SONACA mehrere Enovia VPM-Konfigurationen erfolgreich auf eine einheitliche Teamcenter-Installation migriert. OpenPDM wird auch genutzt, um PLM und das Sharepoint-basierte Dokumentenmanagement zu integrieren.
Die SONACA Group ist einer der führenden Tier-1- und Tier-2-Supplier der globalen Aerospace-Industrie und Lieferant von anspruchsvollen Strukturteilen für zivile und Militär-Flugzeuge sowie Satelliten. Besonders bekannt ist sie für ihr Know-how in der Entwicklung, Fertigung und Montage von beweglichen Flügel-Komponenten. Die in Gosselies, Belgien, beheimatete Firma ging 1978 aus den Überresten des Zulieferers von Militärflugzeugen Farey hervor. Heute beschäftigt sie rund 2.500 Mitarbeiter, hauptsächlich in Belgien, und unterhält Fertigungs- und Montagewerke in Brasilien, Kanada, China und Rumänien. Um ihre globale Präsenz zu verstärken, hat SONACA kürzlich ein öffentliches Übernahmeangebot für LMI Aerospace in Saint-Louis, USA, abgegeben, das die Gruppe um weitere 20 Standorte und zusätzliche 1.500 Mitarbeiter vergrößern wird.
Der belgische Zulieferer beliefert praktisch alle namhaften Flugzeughersteller und zählt Airbus, Embraer, Dassault Aviation und Bombardier zu seinen wichtigsten Kunden. SONACA entwickelt, fertigt und montiert Lamellen, Klappen, Rumpf- und andere Strukturteile. Falls Sie einmal die Nase eines Airbus A 380 vor sich haben, erinnern Sie daran, dass die Schale oberhalb des Cockpits sehr wahrscheinlich von SONACA stammt. Entwickelt werden die Komponenten hauptsächlich in Belgien, obwohl das Unternehmen auch ein kleines Entwicklungsbüro in Brasilien unterhält. Insgesamt stehen den Ingenieuren 130 CAD-Arbeitsplätze zur Verfügung, auf denen hauptsächlich CATIA V4 und CATIA V5 installiert sind.
In allen größeren Entwicklungsprojekten sind die Ingenieure von SONACA eng in die Kundenprozesse eingebunden und müssen jede Woche Mock-up- und Entwicklungsdaten mit ihnen austauschen. „Deshalb müssen wir unbedingt kompatibel zu den CAD- und PLM-Umgebungen unserer Kunden sein“, sagt Luc Detollenaere, Manager PLM & Digital Projects der Firma. Das Problem ist, dass diese Umgebungen nicht einmal innerhalb eines Kunden immer einheitlich sind, ganz zu schweigen bei unterschiedlichen Flugzeugherstellern. In der Vergangenheit musste SONACA 12 verschiedene Enovia VPM-Konfigurationen unterhalten und jedes Mal anpassen, wenn einer der Kunden sich zu einem Update entschloss, was sehr zeitaufwendig war: 12 Mitarbeiter waren nur damit beschäftigt, die PLM-Installation auf dem aktuellen Stand zu halten.
Teamcenter als Standard-Plattform
Vor ca. drei Jahren entschied sich SONACA, Teamcenter von Siemens Industry Software als unternehmensweite PLM-Plattform für alle Projekte einzuführen und die Daten in einer einheitlichen Struktur zu verwalten, statt immer die Kundenstrukturen zu replizieren. Wesentliche Gründe für diese Initiative waren die hohen Kosten für die Wartung der heterogenen Enovia VPM-Umgebung und die Idee, Mitarbeiter, Know-how und andere Aktiva projektübergreifend nutzen zu können. „Allein die Reduzierung der Mitarbeiter in der PLM-Wartung rechtfertigte die Investition in die Migration, selbst wenn man Lizenz- und Implementierungskosten einschließt“, sagt Detollenaere. Die Gesamtkosten des Projekts beliefen sich auf rund fünf Millionen Euro.
Teamcenter wurde zunächst für neue Projekte wie die Embraer E2 190-195 implementiert, aber nach ein paar Monaten entschied sich SONACA, auch die bestehenden Projekte zu migrieren. Den Anfang machte das Legacy-Projekt Embraer 450-500. „Unsere PLM-Implementierung wurde wesentlich durch dieses Projekt bestimmt“, sagt Detollenaere. „Innerhalb von zwei Monaten waren wir in der Lage, die 3D Mock-ups unserer Kunden zu managen. Danach entwickelten wir alle Funktionen, die das Entwicklungsbüro für die Erstellung der Definition Dossiers benötigte, wobei wir den bestehenden Validierungsprozess und den Modell-Lebenszyklus mit allen Attributen und den mit den Teilen verknüpften Metadaten beibehielten.“ Das Definition Dossier ist ein eingefrorener Zustand aller relevanten Projektinformationen zu einem gegebenen Zeitpunkt, einschließlich der 3D-Modelle, 2D-Zeichnungen und eine Vielzahl anderer Dokumentarten.
Im Rahmen der Implementierung wurden auch die bestehenden Datenaustauschprozesse mit Embraer wieder eingerichtet. Als vorübergehende Lösung nutzte das Unternehmen dafür denselben OpenPDM-Konnektor, der auch bei der Migration der Daten aus Enovia VPM nach Teamcenter zum Einsatz kam. Die Pläne für die endgültige Lösung sehen jedoch einen direkten Abgleich der Datenstrukturen vor. Der Datenaustausch mit den Kunden ist in jedem Fall ein schwieriges Thema, da jeder seine eigenen Anforderungen hat. In einigen Fällen laden die Ingenieure von SONACA ihre Daten mithilfe eines CATIA-Links händisch auf ein Portal, in anderen speichern sie sie in einer virtuellen Plattform des Kunden, die bei ihnen installiert ist. Es gibt von daher wenig Raum für Standardisierung und Automatisierung.
PROSTEP als Migrationspartner
Es dauerte etwa 12 Monate, Teamcenter produktiv in Betrieb zu nehmen. Während die Implementierung von Siemens Industry Software selbst vorgenommen wurde, wählte SONACA als Partner für die Datenmigration PROSTEP. Hauptgrund war, dass die Firma viel Erfahrung mit großen Migrationsprojekten und das notwendige Know-how für die Analyse und Aufbereitung der Daten vorweisen konnte. „Es ist manchmal sehr schwierig, den Aufbau unserer Modelle zu verstehen, da einzelne Teile in unterschiedlichen Projekten unterschiedlich genutzt werden können“, erläutert Detollenaere. Ein weiterer Grund für die Wahl von PROSTEP waren die mächtigen Werkzeuge und Funktionen für die Automatisierung des Migrationsprozesses und für die Qualitätskontrolle der Ergebnisse.
Mithilfe von PROSTEP migrierte das PLM-Team die einzelnen Enovia VPM-Instanzen Schritt für Schritt nach Teamcenter, unter Nutzung agiler Methoden, was den Prozess beschleunigte. Normalerweise dauert es nicht länger als drei Monate und zwei Sprints, um alle Projektdaten in die neue Umgebung zu überführen. Was ebenfalls für einen agilen Prozess sorgt, ist, dass OpenPDM einen Standard-Konnektor zu Enovia VPM mitbringt. Er lässt sich sehr einfach an die Datenstrukturen der verschiedenen Enovia VPM-Instanzen anpassen, um die Daten in die Migrationsplattform zu importieren und dann auf die neuen Teamcenter-Strukturen zu mappen.
Die Daten und Projekte aus der alten Umgebung werden nicht nur für Dokumentationszwecke in Teamcenter abgelegt, sondern sind noch „lebendig“ und machen Änderungen durch. Eines der ersten Flugzeuge, für das SONACA in den früher 80er Jahren Komponenten entwickelte, ist der Airbus A 320, der immer noch gebaut wird. „Wir benötigen die Definition Dossiers für Änderungen und müssen die geänderten Daten an Airbus in derselben Struktur liefern wie damals“, sagt Detollenaere.
Die Migration schreitet innerhalb des vorgesehenen Zeit- und Kostenrahmens voran. Als eine der letzten soll die erste VPM-Implementierung für die Embraer ERJ-145 migriert werden. Ende des Jahres, wenn alle Daten in Teamcenter vorliegen, soll die alte Installation komplett abgeschaltet werden, um Wartungskosten zu vermeiden. Enovia VPM läuft auf AIX-Workstations und einer Oracle-Datenbank, während Teamcenter MS Windows und MS SQL verwendet.
Teamcenter-SharePoint-Integration
Was nach Abschluss der Migration definitiv nicht abgeschaltet wird, ist die OpenPDM-Plattform von PROSTEP – sie soll ihre anderen Fähigkeiten als Integrations-Plattform entfalten. SONACA hat sich entschieden, die Software dauerhaft zu installieren und für die Verbindung von Teamcenter mit der unternehmensweiten Dokumentenmanagement-Lösung SharePoint zu nutzen. Es gibt im Unternehmen viele Anwender, die zwar selbst keine CAD-Daten produzieren, aber die Modelle, Zeichnungen, Stücklisten etc. für ihre Arbeit benötigen, z. B. im Einkauf. Da sie nicht regelmäßig mit Teamcenter arbeiten, sind die Informationen im PLM-System für sie schwer zugänglich. Auf der Basis der Teamcenter-SharePoint-Integration und PROSTEPs Server-Lösung PDF Generator 3D schufen die deutschen Digitalisierungs-Spezialisten die Möglichkeit, alle für die Definition Dossiers erforderlichen Dokumente zu extrahieren und in das 3D PDF-Format zu konvertieren. Jedes Mal wenn ein Projekt einen neuen Status erreicht, erzeugt die Lösung automatisch einen solchen 3D PDF-Container. Das Definition Dossier wird dann in SharePoint abgelegt und kann von jedem Anwender mit dem normalen Adobe Reader visualisiert werden, sofern er die Nutzerrechte dazu hat.
Die Teamcenter-SharePoint-Integration ist keine Einbahnstraße, weil einige Mitarbeiter außerhalb des Entwicklungsbüros Qualitätsdokumente oder Vorschriften produzieren, die die Ingenieure für ihre Arbeit benötigen. In der Vergangenheit gab es lediglich Verweise auf diese Dokumente, die dann in SparePoint gesucht werden mussten. Eines der Integrations-Szenarien, die PROSTEP spezifiziert hat, erlaubt den Import dieser Dokumente in Teamcenter und ihre Verlinkung mit den entsprechenden Teilen. Das erhöht ganz maßgeblich die Sichtbarkeit der Teile, die z. B. von einer geänderten Norm betroffen sind. Die Links verweisen nicht direkt auf das Dokument in SharePoint, sondern auf eine redundant in Teamcenter gespeicherte Kopie, damit die Ingenieure eine bestimmte Revision des Dokuments und nicht nur den aktuellen Stand benutzen können.
Bedarf für sicheren Datenaustausch
Das 3D PDF-basierte Definition Dossier soll nicht nur die interne Kommunikation, sondern auch die Kommunikation mit Unterlieferanten, z. B. im Angebotsprozess, vereinfachen. SONACA arbeitet weltweit mit mehr als 100 Partnern zusammen, die Teile mechanisch bearbeiten, Werkzeuge bauen oder spezielle Teile wie die Gummidichtungen herstellen. Bislang managt ein dezidiertes Datenaustausch-Team die Kommunikation mit den Zulieferern und kümmert sich um die Nachverfolgbarkeit der verschickten Dokumente, was sehr wichtig für die Regelkonformität ist. „Es kostete Zeit und einigen Aufwand, um den Datenaustausch unter Kontrolle zu halten“, sagt Detollenaere. Trotzdem versandten die Ingenieure immer noch einige Dokumente per Mail, ohne Sicherheit und Nachvollziehbarkeit.
Sobald die Teamcenter-SharePoint-Integration produktiv ist, will SONACA deshalb zusammen mit PROSTEP ein weiteres Projekt starten und die sichere Datenaustausch-Lösung OpenDXM GlobalX implementieren. Sie unterstützt nicht nur den verschlüsselten Austausch von CAD-Daten oder großen Dokumenten wie den Definition Dossiers über eine webbasierte Plattform, sondern lässt sich außerdem nahtlos in MS Outlook integrieren, um die Einhaltung der Datenaustauschbestimmungen durchzusetzen. „Unser Ziel mit der Einführung von OpenDXM GlobalX ist es, die Endanwender in die Lage zu versetzen, direkt mit den Unterlieferanten Daten auszutauschen, und gleichzeitig eine höhere Sicherheit und eine bessere Kontrolle über das zu haben, was verschickt wird“, sagt Detollenaere.
SONACA wird außerdem den Funktionsumfang von Teamcenter erweitern und die Fertigungsstückliste im PLM-System abbilden, das mit SAP integriert werden soll. Die Idee dahinter ist, Konstruktions- und Fertigungsstückliste einfacher synchronisieren zu können, wie Detollenaere abschließend anmerkt: „Unsere Vision ist es, Werkzeuge, NC-Programme und sämtliche Fertigungsressourcen mit dem Teil in Teamcenter zu verknüpfen und den Arbeitszentren alle Informationen für die Ausführung der Fertigungsoperationen zur Verfügung zu stellen. Das ist unsere Art, uns auf Industrie 4.0 vorzubereiten.“
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