Frage: Eine der Schwierigkeiten mit neuen Geschäftsmodellen ist, dass man die bestehenden nicht auf einen Schlag ablösen kann. Wie schafft ein Mittelständler diese Transition?
Anderl: Sie haben recht, man ersetzt kein erfolgreiches Geschäftsmodell durch ein anderes, nur weil es neu ist. Aber man kann es sukzessive ergänzen. Die zweite Variante ist, dass man eine neue Firma unter einem anderen Namen gründet, um Kannibalisierungseffekte zu vermeiden. Man kann die neue Organisation dann auch mit den entsprechenden Mitarbeitern ausstatten, die das neue Geschäftsmodell verinnerlicht haben.
Frage: Accenture sagt auch, dass das eigentliche Geschäft mit Industrie 4.0 die machen werden, die die Datenplattformen beherrschen. Schafft das ein Mittelständler überhaupt?
Anderl: Auf jeden Fall, ja, wobei nicht jeder Mittelständler seine eigene Plattform aufbauen muss. Wir kennen Beispiele, wo sich mittelständische Unternehmen zusammentun, um eine solche Plattform zu schaffen, auch wenn sie nach außen hin nicht in Erscheinung treten. Wenn diese Plattformen Schnittstellen anbieten, um Ökosysteme anzubinden, ist das ein riesiges Geschäftsfeld.
Frage: Eines der wesentlichen Elemente des Leitfadens ist dieser Kreativ-Workshop, den sie mit verschiedenen Kandidaten getestet haben. Welche Erkenntnisse haben Sie gewonnen?
Anderl: Eine der wichtigsten Erkenntnisse war, dass man die Workshops mit einem repräsentativen Querschnitt der Mitarbeiter durchführen sollte. Wenn Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen zwei Tage zusammenkommen und auch den Abend miteinander verbringen, ist das ungeheuer anregend. Da brauchen Sie gar keine Vorgaben mehr zu machen, sondern nur noch zu moderieren. Die Mitarbeiter wissen sehr genau, was in den nächsten zwei bis drei Jahren realistischerweise zu erreichen ist.
Frage: Unterstützt der Leitfaden die Unternehmen auch bei der Umsetzung der neuen Geschäftsmodelle?
Anderl: Nein, der Leitfaden ist lediglich dazu da, sich zu positionieren und das Profil für die Weiterentwicklung des Unternehmens zu spezifizieren. Die Schlussfolgerung, daraus neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, ist das Ergebnis der Kreativphase in den Workshops.
Frage: Haben Sie die Unternehmen auch bei der Umsetzung ihrer Ideen begleitet?
Anderl: Nein, als für die Teilnehmer klar war, wohin die Reise gehen soll, war die Diskussion mit uns schnell beendet. Die Unternehmen sind dann sofort den nächsten Schritt gegangen und haben sich gefragt, welche Investitionen sind damit verbunden, was bedeutet es für die Organisation, wie muss ich die Mitarbeiter qualifizieren, wie will ich mich nach außen darstellen etc. Das sind dann Interna, die kein Unternehmen gerne nach außen trägt.
Frage: Aber Sie wissen, dass die Unternehmen weitermachen?
Anderl: Wir wissen das in vielen Fällen, weil wir Rückmeldung bekommen haben; nicht wie viel die Unternehmen investieren, aber dass sie investieren werden.