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Domänenübergreifende Auswirkungsanalysen mit Systems Engineering leicht gemacht

Von Andreas Trautheim-Hofmann

Nach drei Jahren Laufzeit ist das vom BMBF geförderte Verbundprojekt ImPaKT erfolgreich zu Ende gegangen. PROSTEP hat im Rahmen dieses Projekts einen Referenzprozess für domänenübergreifende Auswirkungsanalysen und ein Referenzmodell für die Verlinkung der dafür erforderlichen Informationen entwickelt und verprobt. Aufbereitet wurden die zu verlinkenden Informationen mit Hilfe von KI-Methoden.

Die technischen und finanziellen Auswirkungen von Produktänderungen sind oft schwer zu beurteilen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um komplexe, mechatronische Produkte handelt, an deren Entwicklung verschiedene Domänen beteiligt sind, die sich oft noch über mehrere Organisationen verteilen. Zielsetzung des ImPaKT-Projekts war es deshalb, einen modellbasierten und KI-unterstützen Lösungsansatz zu entwickeln und zu implementieren, der solche Auswirkungsanalysen einfacher und schneller macht.

Beteiligt waren an ImPaKT neben dem Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn als Konsortialführer und dem Institut für Maschinenelemente und Systementwicklung der RWTH Aachen die Dienstleister CONTACT Software, Itemis und PROSTEP sowie mehrere Industrie-Partner. Deren Aufgabe bestand im Wesentlichen darin, die Anforderungen aus den Entwicklungsprozessen zu definieren und die Tauglichkeit der Pilotanwendungen anhand von verschiedenen Praxisbeispielen zu validieren. PROSTEP brachte sein langjähriges Know-how bei der Systemmodellierung, dem Aufbau von Referenzarchitekturen, Datenaustausch und -integration in das Projekt ein.

Ein Ziel und Ergebnis des Projektes war es auch, einen Lösungsansatz zu finden, der geeignet ist, z.B. zu beurteilen, welche Auswirkungen eine neue Anforderung bzw. die damit verbundenen Änderungen haben, wenn die Informationen noch dokumentenbasiert verwaltet werden und nicht miteinander verknüpft sind. Das Beziehungswissen steckt dabei in textuellen Beschreibungen, die nicht so einfach maschinell auswertbar sind.

Für die Modellierung der Referenzarchitektur wurden Methoden des Model-based Systems Engineerings (MBSE) angewandt und erweitert. MBSE hat gerade bei der interdisziplinären Entwicklung von komplexen, mechatronischen Produkten Vorteile, weil eine kleine Änderung an den Anforderungen manchmal ungeahnte Auswirkungen auf Funktion, Mechanik, die Elektrik/Elektronik, Software oder sogar Prozesse und organisatorische Aspekte haben kann. Die Methodik steht jedoch im Ruf, aufwendig und komplex zu sein. Aus diesem Grund wurde ein Tailoring-Leitfaden entwickelt, der die Unternehmen bei einer schrittweisen, praxisgerechten Einführung unterstützt.

Das gesamte Projekt wurde an konkreten Anwendungsbeispielen der Industrie-Partner ausgerichtet. Es zeigte sich dabei schnell, dass die Änderungen bis in die Fertigungsprozesse reichen und somit die Kosten/Nutzen-Frage einer Änderung noch weiter in den Vordergrund rückt. Bei Auswirkungsanalysen ist es wichtig, möglichst schnell herauszufinden, wo die größten Risiken und Aufwände einer Änderung sind.

Die ImPaKT-Referenzarchitektur für Auswirkungsanalysen besteht aus zwei Ebenen. Die eine Ebene ist der Prozess der Auswirkungsanalyse selbst, also die Betrachtung der IT-Systeme, welche diesen Prozess durchführen. Dafür haben wir ein abgestimmtes Prozessmodell entwickelt. Die zweite Ebene ist das Referenzmodell des sogenannten Parameterraums (PARS), den wir mit diesem Prozess analysieren wollen. Es ist die Blaupause oder Vorlage dafür, wie welche Informationen bzw. Artefakte miteinander in Beziehung stehen.

Das Referenzmodell ist in der MBSE-Modelliersprache SysML beschrieben. Es basiert auf den Anforderungen und Erfahrungen der Projektpartner sowie den langfristig tragfähigen Konzepten und flexiblen Strukturen der standardisierten STEP-Datenmodelle. Dieses Informationsmodell enthält jedoch in deutlich komprimierterer Form das wesentliche Know-how über die interdisziplinäre Vernetzung von Anforderungen, Funktionen, Logik bzw. Lösungen, Komponenten, Dokumenten, Modellen und Prozessartefakten. Es handelt sich insofern um ein generisches Modell, als es nicht auf den Maschinenbau beschränkt ist, sondern sämtliche Arten von Produkten bestehend aus Mechanik, E/E, Software und Services abbilden kann.

Im Unterschied zu bisherigen Lösungsansätzen werden in einem oder mehreren, kaskadierten Parameterräumen nur die für Auswirkungsanalysen relevanten Informationen als Linked-Data-Struktur zur Verfügung gestellt, was eine gute Performance auch bei komplexesten Umgebungen gewährleistet. Viele dieser Informationen sind bereits digital vorhanden, sie müssen jedoch erst einmal bereichs- und systemübergreifend verfügbar gemacht, d.h. in einer MBSE-Architektur integriert und vernetzt werden. Wie bereits erwähnt stecken viele Informationen heute noch in Dokumenten oder verteilen sich über unterschiedliche Autoren- und Verwaltungssysteme.

Einer der KI-Anwendungsfälle, der besonders viel Potenzial versprach und den PROSTEP weiterentwickelt hat, ist die Aufbereitung der Informationen für komplexe Auswirkungsanalysen. Durchgespielt haben wir das am Beispiel von Excellisten mit Hunderten von textuell beschriebenen Anforderungen. Diese Texte wurden mit Hilfe von NLP-Methoden (Natural Language Processing) analysiert, um Ähnlichkeiten und Zusammenhänge zu identifizieren und in ein MBSE-konformes Anforderungsmodell zu überführen. Es kann dann im Parameterraum bereitgestellt und bedarfsweise z.B. mit Bauteilinformationen, Funktions- und Produktstrukturen und/oder Testaktivitäten und deren Ergebnissen verknüpft werden.

Die Transformation der Anforderungsliste in ein strukturiertes Modell funktionierte nicht automatisch. Die KI machte anhand ermittelter Gewichtungen Vorschläge für mögliche Zusammenhänge, die dann von Fachleuten beurteilt wurden, was ein qualitativ sehr hochwertiges Anforderungsmodell ergab.

Die Projektpartner haben mit Blick auf die gesamte Lieferkette den Lösungsansatz flexibel und modular gestaltet. Im Ergebnis müssen die Unternehmen ihre Produkte nicht vollständig mit MBSE-Methoden modellieren, sondern können den Parameterraum peu a peu mit Inhalten befüllen, z.B. indem sie im ersten Schritt die wesentlichen Informationen aus Produktstruktur und Dokumenten extrahieren und vernetzen. Dann können sie mit Hilfe von KI z.B. ein Anforderungsmodell aufbauen und mit den vorhandenen Strukturen und Knoten verbinden, usw.

Das Referenzmodell für den Parameterraum ist eines der wesentlichen Ergebnisse des Projekts. Wir haben es gemeinsam mit den Partnern anhand ihrer praktischen Anwendungsbeispiele kontinuierlich validiert, angepasst und erweitert. Ergänzend dazu haben wir das Modell mit unserem Mars Rover-Testbed validiert und dann in OpenCLM importiert, so dass wir die Vorlage mit dem Know-how aus den angeschlossenen Datentöpfen befüllen bzw. mit ihnen verlinken können. Durch diesen iterativen Prozess hat das Modell einen hohen Reifegrad bzgl. Vollständigkeit, semantischer Präzision und Flexibilität erreicht.

Die Referenzarchitektur und -modelle für Auswirkungsanalysen sind für Unternehmen jeder Größenordnung in nahezu allen Branchen als Bebauungspläne für ihre MBSE-Landschaft nutzbar. Sie können damit schrittweise ihren firmenspezifischen Parameterraum als Wissensbasis für Auswirkungsanalysen aufbauen. „Dadurch lassen sich bei der Durchführung von Auswirkungsanalysen für Änderungen oder Neuentwicklungen nach ersten Schätzungen bis zu 80% der Kapazitäten und der Zeit einsparen“, betont Dr. Martin Holland, Leiter Strategy & Business Development, und fügt hinzu: „Unsere Digital Thread-Lösung OpenCLM versetzt Unternehmen in die Lage, domänenübergreifend Abhängigkeiten zwischen den Artefakten in unterschiedlichen Quellsystemen zu analysieren und die Auswirkungen z.B. von Änderungen auf betroffene Artefakte zu beurteilen. Auf dieser Grundlage können die Unternehmen fundiertere Entscheidungen treffen.“

Für ausführliche Informationen zu den Projektergebnissen, zur Referenzarchitektur und den -modellen sowie deren Umsetzung können Sie mich gerne direkt kontaktieren: andreas.trautheim@prostep.com

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