PROSTEP-Whitepaper über die Digitalisierung im Schiffbau
Von Matthias Grau
Die europäischen Schiffbauer haben früher als ihre Mitbewerber in Fernost angefangen, ihre internen und unternehmensübergreifenden Geschäftsprozesse zu digitalisieren, aber ihr Vorsprung schmilzt. Sie müssen deshalb eine neue Digitalisierungsoffensive starten, in deren Mittelpunkt das digitale Produktmodell stehen sollte. Ein neues Whitepaper von PROSTEP zeigt ihnen, wo sie mit ihren Digitalisierungsmaßnahmen ansetzen sollten.
Ziel der Digitalisierung im Schiffbau ist der Aufbau eines durchgängig nutzbaren, digitalen Produktmodells, das dem exakten Bauzustand des Schiffs in allen Phasen des Lebenszyklus widerspiegelt. Dieser digitale Master, aus dem der später der Digital Twin des ausgelieferten Produkts abgeleitet wird, unterstützt nicht nur die Optimierung der bestehenden Geschäftsprozesse, sondern ermöglicht in Verbindung mit den Daten aus dem laufenden Betrieb auch die Entwicklung neuer Mehrwertdienste und serviceorientierter Geschäftsmodelle.
Die europäischen Werften, ihre Zulieferer und Partner müssen ihre Geschäftsprozesse durchgängiger digitalisieren. Insbesondere an der Nahtstelle zwischen Entwicklung und Fertigung, aber auch beim Austausch mit Partnern und Zulieferern und der Übergabe der Schiffsdokumentation an die Eigner bzw. Betreiber klaffen noch Lücken in den digitalen Informationsflüssen. Eine besondere Herausforderung ist dabei der Austausch zwischen mechanischen CAD-Systemen und schiffbauspezifischen Anwendungen wie AVEVA Marine, CADMATIC oder NAPA, weil diese intent-driven Systeme nicht die explizite Geometrie aufzeichnen, sondern nur die Art und Weise, wie sie erzeugt wurde.
Die unterschiedlichen Systemphilosophien erschweren nicht nur den horizontalen Datenaustausch zwischen den verschiedenen CAD-Systemen und nachgelagerten Anwendungen z.B. für die Fertigungssteuerung, sondern auch die vertikale Integration mit den unternehmensweiten PDM- und ERP-Anwendungen. Letztere ist Voraussetzung, um die Dateien konsistent verwalten, Änderungen nachvollziehbar dokumentieren und die Beziehungen zu anderen Informationsobjekten des digitalen Schiffsmodells herstellen zu können.
Ansätze einer Digitalisierungsoffensive
Wo sollten die europäischen Schiffbauer mit Digitalisierungsmaßnahmen ansetzen, um schnelle Nutzeneffekte zu erzielen? PROSTEP sieht drei Ansatzpunkte für eine nachhaltige Digitalisierungsoffensive: Erstens die Schaffung einer digitalen Plattform, zweitens die Sicherstellung der digitalen Durchgängigkeit und drittens die Digitalisierung der Geschäftsprozesse.
Die Integration der verschiedenen IT-Systeme ist Grundlage für effiziente Informationsflüsse und den kontinuierlichen Abgleich der Informationsstände. PROSTEP hat dafür eine Daten-Drehscheibe entwickelt, an die neben gängigen CAD- und PDM/PLM-Systemen viele relevante schiffbauspezifische Systeme sehr schnell angebunden werden können. Die Standard-Lösung ermöglicht nicht nur die Verwaltung schiffbaurelevanter Daten mit gängigen PDM/PLM-Systemen wie 3DEXPERIENCE, ARAS oder Teamcenter, sondern auch die Überführung von Modellen aus mechanischen in intent-driven CAD Systeme - und umgekehrt.
Die Schaffung einer digitalen Plattform führt nicht automatisch zur durchgängigen Nutzung der digitalen Informationsobjekte. Dazu muss auch ermittelt werden, welche Informationsobjekte an welcher Stelle von welchem Prozess benötigt werden, wer sie liefert und wo die Weitergabe derzeit durch Medienbrüche erschwert wird. In Anlehnung an die Wertstrom-Analyse nutzt PROSTEP eine standarisierte Methode, um Informationsflüsse zu bewerten und Redundanzen, Flaschenhälse und Unterbrechungen aufzudecken. Aus den Ergebnissen der Analyse lassen sich direkt Verbesserungsmaßnahmen ableiten.
Aufbauend auf den Ergebnissen der Informationsflussanalyse können Lösungen für die Digitalisierung der Geschäftsprozesse entwickelt bzw. implementiert werden. Für Prozesse wie die zeichnungslose Fertigung, die 3D-Montageplanung oder die Erstellung elektronischer Ersatzteilkataloge hat PROSTEP entsprechende Lösungen entwickelt, die auch für den Schiffbau geeignet sind. Auch für die Schiffsklassifikation (Class Approval) gibt es erste Ansätze, den papierbasierten Prozess mit Hilfe der 3D PDF-Technologie zu digitalisieren.
Vom digitalen Schiffsmodell zum Digital Twin
Sowohl die Klassifizierungsgesellschaften, als auch auf die Betreiber haben ein wachsendes Interesse an der Bereitstellung digitaler Schiffsdaten, um sie weiter verarbeiten und mit ihren Informationen anreichern zu können. Dabei muss natürlich sichergestellt sein, dass das geistige Eigentum der Werften nicht gefährdet wird. PROSTEP verfügt über das Know-how und die Technologie, um nur die Informationen zu übertragen, die der Betreiber tatsächlich benötigt, und sie durch entsprechende Sicherheitsmechanismen zu schützen.
Die digitalen Modelle der ausgelieferten Schiffe bilden die Grundlage für den Aufbau von Digital Twins. Ihre Nutzung bietet, allen an Entwicklung, Fertigung, Betrieb und Nutzung der Schiffe beteiligten Stakeholdern Vorteile, vorausgesetzt sie sind bereit, Informationen zu teilen. Digital Twins ermöglichen: - einen effizienteren Betrieb und Wartung der Schiffe durch die Betreiber;
- eine neue Customer Experience für die Kunden der Kreuzfahrt-Gesellschaften, z.B. durch virtuelle Rundgänge;
- die Entwicklung neuer Mehrwertdienste für Ersatzteil-Logistik oder Predictive Maintenance durch die Klassifizierungsgesellschaften;
- die Optimierung der nächsten Schiffsgeneration, sofern die Betreiber den Werften die Betriebsdaten bereitstellen.
Schiffbauer, Reedereien und Klassifikationsgesellschaften müssen sich deshalb darüber verständigen, wie sie die Herausforderungen der Digitalisierung zum Nutzen aller gemeinsam bewältigen können. Die technischen Lösungen dafür stehen heute zur Verfügung.
PROSTEP kann die Unternehmen der marinen Industrie bei der Definition ihrer Digitalisierungsstrategie und der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen kompetent unterstützen. Das PLM-Beratungs- und Softwarehaus ist ein anerkannter Partner der marinen Industrie und zählt renommierte Unternehmen wie DNV GL, Lürssen, MEYER GROUP oder thyssenkrupp Marine Systems (tk MS) zu seinen Kunden.
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