PROSTEP | Newsletter
DE EN

Künstliche Intelligenz für PLM-Prozesse nutzbar machen

Von Karsten Theis

Die Künstliche Intelligenz (KI) erobert ständig neue Lebensbereiche. Im Alltag nutzen wir sie oft bewusst oder unbewusst: KI-basierte Algorithmen werten unsere Suchanfragen im Internet aus, empfehlen uns bestimmte Produkte, steuern die Assistenzsysteme unseres Autos oder die Haushaltsgeräte in unserem Smart Home und vieles mehr. Die KI hat aber auch längst in unsere Arbeitswelt Einzug gehalten. Industrie 4.0 und digitale Fabrik sind ohne sie nicht darstellbar. Aus diesem Grund beschäftigen auch wir uns in Kunden- und Forschungsprojekten intensiv mit der Frage, wie wir sie für die Optimierung der Produktentwicklung nutzen können, und entwickeln erste KI-basierte Anwendungen.

Etwa zwei Drittel des Wissens eines Unternehmens stecken heute in den Köpfen der Mitarbeiter*innen oder verteilen sich über lokale Festplatten und unterschiedliche Datensilos. Dieses Wissen ist essenziell für die Produktentwicklung und -fertigung, letztlich aber für den gesamten Lebenszyklus des Produkts bis hin zu seiner Entsorgung. Die KI ist das entscheidende Mittel, um diesen verborgenen Wissensschatz zu heben und mit den strukturierten Informationen in den PDM/PLM-Systemen zu verknüpfen. Und das viel schneller als es manuell möglich wäre. Außerdem versetzt die KI das klassische PDM, das nur in geringem Umfang fehlertolerant ist, in die Lage, auch mit nicht korrekten oder unvollständigen Daten umzugehen.

Im PLM-Kontext wird heutzutage in der Regel „schwache KI“ zur Lösung gezielter Problemstellung eingesetzt. Starke KI-Systeme, die schlussfolgern können und damit neue Lösungsräume erschließen, stecken noch in den Kinderschuhen. Durch den Einsatz schwacher KI sollen bestehende Prozesse in der Produktentwicklung, die einen hohen repetitiven Anteil an Tätigkeiten besitzen und Daten aus vielen heterogenen Quellen schöpfen, vereinfacht und optimiert werden. Zudem lernt das System, Mutmaßungen über noch in der Zukunft liegende Zustände des jeweiligen Prozesses anzustellen. Dadurch lassen sich bisher noch nacheinander erfolgende Prozessschritte in erheblichem Umfang parallelisieren und so die Prozessdurchlaufzeit signifikant verkürzen. Dazu muss die KI lernen, auf Basis heterogener, dezentraler Informationen geeignete Vorschläge zu machen und wirklichkeitsnahe Vorhersagen zu treffen.

Ein gutes Beispiel ist das Stücklisten-Management: Heute werden Stücklisten im Automobilbau meist durch manuelle Anreicherung und Aktualisierung von Vorgängerstücklisten auf Basis verstreuter, kaum homogenisierter Information erzeugt. Bei den immer kürzeren Innovationszyklen und der immer größeren Varianz in den Fahrzeugklassen ist dieses Vorgehen jedoch schwierig. Vor allem aber macht es disruptive Entwicklungen wie Elektro-Autos oder autonome Fahrzeuge zu einer besonderen Herausforderung. Deshalb haben wir für einen großen OEM ein Konzept entwickelt, wie man diese Stücklisteninitialisierung mit KI teil-automatisieren kann. Dazu müssen die Algorithmen lernen, Ähnlichkeiten zwischen einem neuen Fahrzeug und den Vorgängermodellen zu erkennen oder auch zu erkennen, dass es sich um etwas disruptiv Neues handelt.

Eine der Hürden bei solchen KI-Vorhaben ist es oft, genügend Trainingsdaten zu haben, um die neuronalen Netze maschinell anlernen zu können. Vor diesem Problem stehen auch die Konsortialpartner des vom BMBF geförderten und vom Heinz Nixdorf Institut der Uni Paderborn geleiteten Forschungsprojekts ImPaKT. Ziel des Vorhabens ist es, die technischen und finanziellen Auswirkungen von Änderungen durch einen MBSE-basierten (Model-based Systems Engineering) Lösungsansatz und mit KI-Unterstützung zuverlässiger analysieren zu können. Die KI wird unter anderem dazu genutzt, textbasierte Anforderungsdokumente auszuwerten und daraus strukturierte Anforderungen abzuleiten. PROSTEP entwickelt im Rahmen des Projekts einen Software-Baustein, der die Auswirkungen von Änderungen an prognostizieren soll.

Neben dem Machine Learning, das große Mengen an Trainingsdaten erfordert, gibt es eine zweite Strömung der KI, die auf Ontologien basiert. Ontologien dienen dazu, das vorhandene Wissen mit Hilfe formaler Definitionen von Begriffen und ihren Beziehungen maschinenlesbar aufzubereiten. Sie können die Grundlage dafür sein, um KI-basiert neue Zusammenhänge zu erkennen. Deshalb sind wir auch in diesem Bereich tätig. Zusammen mit der Sportwagensparte eines großen Automobilkonzerns entwickeln wir einen Ontologie-basierten Ansatz der Daten-Korrelation, der die in einer Vielzahl von IT-Systemen steckenden Informationen und ihre Beziehungen über ein generisches, maschinenlesbares Begriffssystem beschreibt, so dass sie einfacher und domänenübergreifend verknüpft werden können.

Viele KI-basierte Ansätze und Anwendungen befinden sich noch im Entwicklungsstadium. Der Anwendungsfall mit der größten Praxisrelevanz ist ohne Zweifel die Bild- oder Modellerkennung mit Hilfe des Machine oder Deep Learnings. Wir setzen diese Verfahren in unserer 3DigitalTwin-Lösung ein, um 3D-Scans von Bestandsanlagen teilautomatisch in intelligente 3D-Modelle bzw. digitale Zwillinge zu transformieren.

Das ist die Voraussetzung, um die Anlagen effizienter zu betreiben vor allem aber, um sie schneller umplanen zu können.

Konkret nutzen wir die KI, um die Punktewolken der gescannten Anlagen in einem zweistufigen Verfahren semantisch zu segmentieren: Im ersten Schritt identifizieren wir Objekte wie Gebäudestruktur, Equipment und Rohrleitungen, um dann im zweiten Schritt die erkannten Rohrsysteme in ihre Bestandteile zu zerlegen. Dadurch dass bekannt ist, welche Punktemengen zu welchem Objekt gehören, um welche Objekte (Rohrstück, Rohrbogen, T-Stück etc.) es sich handelt und wo sie sich im Raum befinden, lassen sich die passenden Komponenten aus der entsprechenden Rohrklasse anziehen und im CAD-System korrekt platzieren. Ein anschließender topologischer Abgleich ermöglicht es, zusätzliche Informationen aus dem zugehörigen R&I-Fließbild der Anlage mit den 3D-Modellen zu verknüpfen.

Die Anlagenbetreiber haben heute enorme Aufwände, um ihre Anlagen, die sich im Laufe ihres Lebens kontinuierlich verändern, konsistent in der digitalen Welt abzubilden. Die KI macht diesen Prozess wesentlich schneller und kostengünstiger und ermöglicht dadurch, Anlagen effizienter zu betreiben und schneller auf neue Marktanforderungen oder gesetzliche Vorgaben zu reagieren.

Mehr über unseren 3DigitalTwin-Dienst erfahren Sie auf unserer Homepage. Schauen Sie doch mal rein.

Ihr Karsten Theis

© PROSTEP AG | ALL RIGHTS RESERVED | IMPRESSUM | DATENSCHUTZERKLÄRUNG HIER KÖNNEN SIE DEN NEWSLETTER ABBESTELLEN.