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Eine systemneutrale Beratung erleichtert die PLM-Auswahl

Ein Interview mit Matthias Rebel

Dieffenbacher stellt Maschinen und Anlagen für die Produktion von Holzwerkstoffen, Composites- und Metallbauteilen sowie für das Recycling von Altholz her. Außerdem bietet das Unternehmen seinen Kunden eine digitale Plattform für die Überwachung und Analyse ihrer Presssysteme und Anlagen. Vor welchen Herausforderungen das Unternehmen bei der Modernisierung seiner PLM-Landschaft steht, erläutert der Leiter für technische Informationssysteme, Matthias Rebel.

Frage: Herr Rebel, welches ist der umsatzstärkste bzw. der am stärksten wachsende Bereich von Dieffenbacher?

Rebel: Das ist definitiv der Holzbereich. Es gibt nicht viele Unternehmen auf der Welt, die so große Anlagen zur Holzverarbeitung herstellen können wie wir. Der Bereich Forming ist ein schwierigeres Geschäft, weil der Automobilmarkt derzeit in einer Veränderung steckt und der Wettbewerb etwas härter ist. Und Recycling ist eine relativ neue Business Unit, die anfänglich auf die Aufbereitung von Altholz fokussiert war und nun auch neue Märkte wie Plastik-, PU-Schaum- oder Teppichbodenabfälle bedient.

Frage: Vor welchen Herausforderungen stehen Sie in der Produktentwicklung, gerade mit Blick auf neue Serviceangebote oder Geschäftsmodelle?

Rebel: Die IT-Abteilung ist für die interne Digitalisierung zuständig. Für die externe Digitalisierung, d.h. alles, was das Thema digitale Geschäftsmodelle und Services angeht, gibt es bei uns ein eigenes Gremium, in dem ich zwar Mitglied bin, aber nicht die treibende Kraft.
Was ich aber sagen kann ist, dass wir unter dem Oberbegriff EVORIS eine Plattform anbieten, die unseren Kunden einen digitalen Mehrwert und Einsparungen im Betrieb bietet. Der Kunde kauft heute nicht nur eine Holzplattenanlage, sondern möchte wissen, wie die Qualität seiner Holzplatten ist, und das nicht erst, wenn er sie aus der Anlage nimmt. Dazu erfassen wir bestimmte Parameter und machen Datenanalysen, die bestimmte Trends schon im Vorfeld aufzeigen.

Frage: Verlangen die Kunden von Ihnen heute schon einen Digital Twin der Anlagen?

Rebel: Die Frage ist, was Sie unter einem Digital Twin verstehen. Wir machen von der Gesamtanlage schon im Vertriebsprozess 3D-Modelle, damit der Kunde sich besser vorstellen kann, wie seine Anlage ausschauen wird. Während der Inbetriebnahme der Anlage kommt seit der Corona Pandemie mehr und mehr eine virtuelle Inbetriebnahme zum Tragen. Dann bieten wir ihm mit EVORIS den digitalen Mehrwert sowie Einsparpotentiale für den laufenden Betrieb. Außerdem müssen wir unsere Anlage sauber dokumentieren, mit Wartungsplänen, Ersatzteillisten etc. Aber die gesamte Anlage, die mehrere Fußballfelder groß ist und hunderttausende von Komponenten hat, eins zu eins in einem Digital Twin abzubilden, ist illusorisch. Bei einer einzelnen Maschine kann man das sicher recht gut umsetzen. Aber wir haben sehr viele Systemzukäufe, und jeder Lieferant stellt die Informationen ein bisschen anders zur Verfügung. Ich schätze, dass wir 60 bis 70 Prozent unserer Anlagen zukaufen.

Frage: Welche Anforderungen ergeben sich aus den ganzen Digitalisierungsthemen für Ihre PLM-Architektur? Welche zusätzlichen Fähigkeiten benötigen Sie?

Rebel: Die Kollegen in der Automatisierung, die sich mit der externen Digitalisierung beschäftigen, waren in die Workshops mit PROSTEP eingebunden und haben ihre Anforderungen eingebracht. Eine wichtige Anforderung ist, dass wir Elektrik und Mechanik künftig enger verzahnen wollen. Wir haben in unserem PLM-System heute sehr viele mechanische Stücklisten, aber die Elektrik läuft ein bisschen separat. Das wollen wir besser integrieren, um aus dem zentralen PLM-System bestimmte Listen z.B. mit den Sensoren zügig ausleiten zu können. Über alledem steht, dass die Lösung praktikabel sein muss, damit die Ingenieure auch wirklich nach den Soll-Prozessen arbeiten und ihre Daten einpflegen. Wenn es mehr Zeit kostet als heute, machen sie es nicht.

Frage: Nun ist es manchmal so, dass vorne im Prozess Mehraufwände entstehen, während sich der Nutzen hinten ergibt?

Rebel: Aus Unternehmenssicht mag es in Ordnung sein, wenn eine Abteilung Mehraufwand hat und fünf andere davon profitieren, aber das müssen Sie in der Praxis umgesetzt bekommen. Dazu müssen Sie die Ressourcen entsprechend shiften können. Sonst stößt man schnell auf Widerstände.

Frage: Welche Rolle spielt PLM in Ihrer aktuellen IT-Landschaft im Zusammenspiel mit anderen Unternehmensanwendungen?

Rebel: Das ist bei uns ziemlich klar: Wir haben zwei Kernsysteme, nämlich PLM und unser SAP-System, die bidirektional miteinander gekoppelt sind. Sie sind das Rückgrat unserer IT. Beide Systeme laufen in unserem eigenen Rechenzentrum und sind schon seit mehr als 20 Jahren im Einsatz. Gesetzt ist, dass wir auf SAP S/4HANA migrieren, d.h. das künftige PLM-System muss auch mit SAP S/4HANA sauber interagieren.

Frage: Welches PLM-System ist bei Ihnen derzeit im Einsatz?

Rebel: Das ist zum einen das System Agile von Oracle, dessen Lebenszyklus 2027 endet, weshalb wir ein neues Tool benötigen. Außerdem haben wir an einem unserer Tochterstandorte ein „Gallisches Dorf“, das aus historischen Gründen und weil wir Creo als 3D-Konstruktionssystem nutzen PTC Windchill zur reinen CAD-Datenverwaltung einsetzt. 

Deshalb wollen wir nicht einfach nur ein neues Tool einführen, sondern erst einmal systemneutral schauen, welche Anforderungen wir haben und welche neuen Anforderungen sich durch Themen wie die externe Digitalisierung ergeben. Um das mit den Fachbereichen sauber zusammenzutragen, haben wir PROSTEP als Berater ins Boot geholt und gehen jetzt im nächsten Schritt in die Ausschreibung.

Frage: Wie sieht Ihre künftige PLM-Strategie aus? Gibt es schon so etwas wie einen Bebauungsplan?

Rebel: Nein, aber die Modernisierung von SAP und PLM ist bei uns eine gemeinsame Initiative unter einem Leitungsgremium mit einer gemeinsamen Roadmap, denn wir wollten nicht zwei Projektteams haben, die ihre Teilprozesse optimieren statt den Gesamtprozess. Und in dieser Roadmap ist auch die PLM-Auswahl und die Anbindung an SAP S/4HANA aufgeführt, wenn es denn ein separates PLM-System wird. Was ich mit Blick auf die PLM-Strategie auf jeden Fall sagen kann ist, dass wir künftig ein einheitliches PLM-System haben wollen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Auswahl systemneutral und formal sauber läuft, um eine Lagerbildung zu vermeiden. Dafür sorgt u.a. auch die Beratung durch PROSTEP.

Frage: Einen gemeinsamen Nenner zu finden, scheint die größte Schwierigkeit bei der Modernisierung Ihrer PLM-Landschaft zu sein?

Rebel: Genau, dass sich alle abgeholt fühlen und nachvollziehen können, warum wir uns für ein bestimmtes System entscheiden. In unseren Holzplattenanlagen sind sehr unterschiedliche Maschinen verbaut und jeder Standort hat halt etwas andere Anforderungen. Aber aus Unternehmenssicht und IT-Sicht möchten wir nicht zwei Systeme betreiben. Wenn Sie nur an interne Verlagerung von Produkten an einen anderen Standort denken, dann ist es viel besser, das gleiche System und die gleichen Prozesse zu haben.

Frage: Sie setzen auf SAP S/4HANA, das ja ein Cloud-basiertes System ist. Ist auch PLM aus der Cloud für Sie ein Thema?

Rebel: SAP S/4HANA können Sie sowohl on-premises als auch in der Cloud betreiben; hier haben wir uns noch nicht entschieden. Wir haben zwei eigene kleine Rechenzentren und betreiben noch viele andere Systeme on-premises, aber wir sind grundsätzlich offen für die Cloud. Das ist letztendlich eine wirtschaftliche Frage. Zum anderen muss die Cloud auch von der Performance und Latenz her sauber funktionieren. Unsere Fachbereiche sind da ein bisschen verwöhnt, weil unsere Systeme hier sehr performant laufen. Bei PLM könnte ich mir vorstellen, dass die Modelle und andere Dokumente vor Ort auf Servern gespeichert werden, aber die Daten und Applikation in der Cloud laufen.

Frage: Welchen Nutzen versprechen Sie sich von einer durchgängigeren Digitalisierung Ihrer PLM-Prozesse?

Rebel: Eine ganz klare Erwartungshaltung ist, dass wir effizienter werden, wenn wir hier Geld investieren. Wir wollen mit der gleichen Anzahl an Konstrukteuren und Technikern mehr Aufträge abwickeln, sprich den Konstruktionsprozess schneller durchlaufen können, indem wir mehr automatisieren. Momentan sind wir in der glücklichen Lage, den größten Auftragsbestand „ever“ zu haben. Das ist zugleich eine Herausforderung, weil unsere Fachbereiche sehr stark in das Tagesgeschäft eingebunden sind und sich gleichzeitig mit der neuen PLM-Welt beschäftigen sollen – eine Gratwanderung, die nicht ganz so einfach ist.

Frage: Ihre Anlagen sind sehr stark kundenspezifisch. Gibt es hier Bestrebungen, den Engineering-Aufwand durch eine stärkere Modularisierung zu reduzieren?

Rebel: Das machen wir heute schon, wobei wir statt Modularisierung von Baukästen sprechen. Wir haben bestimmte Baugruppen als fertige Baukästen mit allen Stücklisten, Zeichnungen etc. abgelegt, die der Vertrieb nutzen kann. Wenn der Kunde allerdings doch individuelle Wünsche hat, geben wir dem statt, so dass wir eine Mischung aus einem Configure to Order- und einem Engineering to Order-Prozess haben. Die Erstellung und Einbindung dieser Baukästen oder Module muss mit dem neuen PLM-System noch effizienter werden.

Herr Rebel, herzlichen Dank für das interessante Gespräch.
(Das Interview führte Michael Wendenburg)


Zur Person

Matthias Rebel arbeitet seit 1988 in der IT der Dieffenbacher Gruppe, die ihren Hauptsitz in Eppingen hat. In dieser langen Firmenzugehörigkeit hat er die Einführung von verschiedensten IT-Systemen begleitet. Heute ist er für die technischen IT-Systeme wie PLM und CAD zuständig.

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