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OpenPDM integriert die neue PLM-Landschaft bei Webasto

Von Mirko Theiß

Die Webasto Gruppe hat ehrgeizige Pläne: Der weltweit tätige, innovative Systempartner fast aller Automobilhersteller migriert nicht nur seine CATIA-Installation auf die 3D Experience-Plattform, sondern ersetzt auch seine heterogene PDM-Landschaft durch eine einheitliche unternehmensweite PLM-Plattform. Als Integrationsplattform bietet OpenPDM eine einfach zu wartende Verbindung zwischen 3DExperience und der SAP-basierten PLM-Lösung 4PEP von ILC.


Als einer der Top-100-Zulieferer der Automobilindustrie erzielte Webasto im Geschäftsjahr 2018 einen Umsatz von 3,4 Milliarden Euro und beschäftigte an über 50 Standorten (davon 30 Produktionsstätten) mehr als 13.000 Mitarbeiter. Das Kerngeschäft umfasst eine breite Produktpalette für Fahrzeughersteller: Schiebedächer, Panoramadächer und Cabrio-Dächer, Heizsysteme für Pkw und Lkw mit allen Arten von Antriebssystemen sowie Batteriesysteme und Ladelösungen für Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Darüber hinaus verfügt Webasto über eine starke Marktposition im Aftermarket-Geschäft und bietet Händlern und Verbrauchern maßgeschneiderte Lösungen und Dienstleistungen für Thermomanagement und E-Mobilität.

In den letzten zehn Jahren ist Webasto auch durch Firmenübernahmen stark gewachsen. Wichtige Meilensteine waren die Übernahme der Cabrio-Sparte von Edscha, des Nordamerikageschäfts von Karmann, des Diavia-Klimageschäfts von Delphi Italia und des Efficient Energy Systems (EES)-Geschäfts von AeroVironment, das heute Ladelösungen unter dem Namen Webasto Charging Systems Inc. herstellt. Darüber hinaus hat das Unternehmen kürzlich die Anteile seines langjährigen südkoreanischen Joint Venture-Partners erworben. Webasto Donghee mit Sitz in Ulsan (Südkorea), das sich bisher auf die Produktion und den Vertrieb von Panoramadächern konzentrierte, ist nun Teil des weltweiten Entwicklungs- und Produktionsnetzwerkes von Webasto und stärkt damit die Position des Unternehmens in Asien weiter.

Heterogene PDM-Landschaft

Eine Konsequenz der Übernahmen ist, dass das Unternehmen heute eine heterogene PDM-Systemlandschaft hat. Der Bereich der Dach- und Thermosysteme nutzt PTC Windchill, der Cabrio-Bereich SAP PLM, die Webasto Charging Systems Inc. Oracle Agile PLM und das ehemalige südkoreanische Joint Venture die Software Teamcenter von Siemens PLM. Auch die Entwicklungs- und Änderungsprozesse der verschiedenen Divisionen sind nicht einheitlich, was die Abwicklung von globalen Entwicklungs- und Fertigungsprojekten erschwert.

Insbesondere im Bereich der Dachsysteme steht Webasto vor der Herausforderung, Produkte für globale Kunden entwickeln und an verschiedenen Standorten fertigen zu müssen. „Während wir früher Dachsysteme für ein bestimmtes Fahrzeug entwickelt haben, bieten wir unseren Kunden heute Plattformen an, die mit gewissen Anpassungen in mehreren Fahrzeugtypen bzw. Marken eines Automobilherstellers eingebaut werden“, erklärt Jorge Ortiz, der im zentralen PLM-Projektteam für die Schulung der Anwender zuständig ist. Das spart Entwicklungskosten, bedeutet aber auch, dass jede Änderung mit allen beteiligten Entwicklungsabteilungen abgestimmt werden muss.

Eine weitere Herausforderung ist, dass Webasto zu einem Mechatronik-Unternehmen wird bzw. werden will, das eigene Software- und Elektronik-Komponenten entwickelt und fertigt. Die Grundlage dafür hat man u.a. durch die Übernahme des Elektronik-Dienstleisters Schaidt gelegt. Das erfordert notwendigerweise eine engere Anbindung der Software-Entwicklung an den Produktentwicklungsprozess und die ihn unterstützenden IT-Systeme.

Strategisches Ziel von Webasto ist es, eine einheitliche Organisation aufzubauen und einen weltweit einheitlichen Produktentstehungsprozess für alle Divisionen zu implementieren, der in einer einheitlichen Systemumgebung abgebildet werden kann. Dieser Prozess soll künftig auch das modellbasierte Systems Engineering (MBSE) unterstützen, wie Ortiz erklärt: „ Wir wollen eine CAD-/PLM-Entwicklungsumgebung mit einheitlichen Datenstrukturen schaffen und den Anwendern über einen Single Point of Truth einen einfachen und schnellen Datenzugang ermöglichen, egal an welchem Standort und in welcher Region sie sich befinden.“

Annäherung an die Produktion

Bei der Auswahl der neuen PLM-Lösung stand Webasto vor der Alternative, entweder eine größere Nähe zur CAD-Landschaft mit CATIA V5 und der 3DX-Plattform von Dassault Systèmes als Zielsystem zu suchen oder sich an das ERP-System SAP anzunähern. Keines der vorhandenen PDM-Systeme erfüllte die Anforderungen an eine unternehmensweite PLM-Plattform. Im Falle von Windchill handelte es sich um eine ältere Version, die allmählich aus der Wartung lief und mit deren Bedienerführung die Anwender nicht mehr zufrieden waren.


Nach einer längeren Auswahlphase entschied sich das Projektteam für die Einführung der SAP-basierten PLM-Lösung 4PEP von ILC, eine Entscheidung, die durch das Assessment eines unabhängigen Beratungshauses abgesichert wurde. „4PEP bietet uns die Möglichkeit, Entwicklungs- und Produktionsprozesse besser zu verzahnen, indem wir alle Informationen digital bereitstellen“, erläutert Ortiz die wesentlichen Entscheidungsgründe. Für ILC sprachen auch die Flexibilität der Software und die Bereitschaft des Software-Herstellers, auf die speziellen Belange von Webasto einzugehen. Außerdem hatte das Softwarehaus mit der PROSTEP AG einen starken Partner für die Integration von 4PEP und 3DX an der Hand.

4PEP ist eine branchenspezifische PLM-Lösung mit vorkonfigurierten Prozessen und Methoden, die für die Zulieferindustrie optimiert sind. Sie bietet unter anderen Bausteinen für das Änderungsmanagement, das Stammdatenmanagement und das Produktstruktur- und Variantenmanagement, aber auch für die Projektsteuerung und das Kostenmanagement. Webasto reduziere damit z. B. die Variantenvielfalt, indem Farbvarianten von Dachsystemen nicht mehr in der Entwicklung festgelegt werden, sondern erst in der Fertigungskoordination, erläutert Ansgar Villis, Geschäftsführer der ILC-Niederlassung in Salzburg, die Webasto betreut.

Zusammenarbeit mit PROSTEP

Die Partnerschaft mit PROSTEP war sehr hilfreich, um das anspruchsvolle PLM-Projekt gewinnen zu können, wie Villis weiter ausführt. Das Unternehmen sei ein anerkannter Integrationsspezialist mit viel Industrie-Erfahrung, Prozess-Knowhow und technologischer Kompetenz, der außerdem strategische Partnerschaften zu den führenden CAx- und PLM-Herstellern unterhalte, bestätigt Ortiz. Auf Basis der Integrationsplattform OpenPDM hat das Unternehmen standardisierte Konnektoren zu 3DX und 4PEP entwickelt, die sehr schnell an die kundenspezifischen Anforderungen angepasst werden können. Webasto will auf Basis der PROSTEP-Technologie auch die Software Rational RTC anbinden, die im Elektronik-Bereich für das Konfigurations- und Software-Management genutzt wird.

In enger Zusammenarbeit mit ILC hat PROSTEP das Daten-Mapping für die verschiedenen Integrationsfälle umgesetzt - angefangen von der Übergabe von Konstruktionsaufträge an die 3DX-Plattform. Beim Pre-Delivery von Entwicklungsständen für den Beschaffungsprozess werden Modelle und Zeichnungen dann in die Neutralformate JT und 3D-PDF konvertiert, an 4PEP übertragen und mit dem Hinweis bestempelt, dass sie nur für Anfragen genutzt werden dürfen. Wenn die Konstruktion fertig ist, stößt OpenPDM einen komplexen Approval-Workflow in 4PEP an, in den Einkauf, Fertigung, Kalkulation und Controlling eingebunden sind. Stimmen alle der Freigabe zu, meldet die Integrationsplattform den Statuswechsel an 3DX zurück und sorgt dafür, dass die abgeleiteten Neutralformate automatisch neu bestempelt werden. Komplexester Integrationsfall ist der Austausch von Änderungsaufträgen, weil bei Webasto Einzelteile geändert werden können, ohne sofort die Produktstruktur bzw. die Stückliste zu versionieren. Das geschieht erst, wenn die Teile verbaut werden.

Die Integrationsfälle müssen ständig nachjustiert werden, weil sich die neue Entwicklungsumgebung noch im Aufbau befindet, so dass sich immer wieder Änderungen an den Abläufen in 3DX und 4PEP ergeben. Als Vorteil erweist sich deshalb die Flexibilität der Integrationsplattform, die es erlaubt, Änderungen oder Erweiterungen mit einem minimalen Aufwand umzusetzen, wie Ortiz betont: „OpenPDM ist eine sehr robuste Plattform, die seit sie im Einsatz ist, zuverlässig ihren Dienst erfüllt.“


Herausforderung Datenmigration

In der ersten Projektphase wurde die neue CAD- und PLM-Lösung zusammen mit der Integrationsplattform im Cabrio-Bereich implementiert und in einem Pilotprojekt getestet, dem weitere folgen werden. „Alles was wir hier machen, ist jedoch mit den anderen Divisionen abgestimmt, die schon mit den neuen Systemen arbeiten und ihre Erfahrungen einbringen können“, sagt Ortiz. Das sei wichtig, um die Prozesse über alle Divisionen hinweg vereinheitlichen zu können.

Eine der potentiellen Hürden, die sich bei dem Pilotprojekt ergaben, war die Abstimmung der Produktstrukturen zwischen den beteiligten Systemen 3DX, 4PEP und SAP. Prinzipiell will Webasto E- und M-BOM in 4PEP managen, um die Durchgängigkeit zwischen Entwicklung und Fertigung sicherzustellen. Welches der drei Systeme allerdings die Führungsrolle gerade bei Änderungen übernehmen soll, ist noch nicht abschließend geklärt. Es wird ein Kompromiss sein, um eine möglichst starke Verbindung zwischen den Systemen zu gewährleisten, ohne ihre Flexibilität zu stark einzuschränken, wie Ortiz sagt.

Bei dem Pilotprojekt zeigte sich außerdem, dass der Aufwand für die Datenmigration größer war als erwartet. „Bei vorhandenen Bauteilen und Standardkomponenten fehlten bestimmte Attribut-Informationen, die die neuen Systeme erwarten“, sagt Ortiz. „Ein kritisches Thema ist auch die Handhabung der Kinematik-Funktionen, die für den Cabrio-Bereich sehr wichtig sind. Sie hat sich von CATIA V5 auf V6, stark verändert, so dass bei der Migration die veränderten Abläufe berücksichtigt werden mussten.“

Weichen in Richtung Digitalisierung

Ende dieses Jahres soll die zweite Projektphase mit einem Pilotprojekt im Bereich der Dachsysteme starten. Größte Herausforderung wird sein, die Windchill-Daten vollständig nach 4PEP zu migrieren und dort über OpenPDM wieder korrekt mit den CAD-Daten zu verknüpfen, die parallel aus ENOVIA VPM nach 3DX migriert werden. Dabei müssen viele Informationen, die in Form von Tabellen auf den Zeichnungen dargestellt sind, in die Modelle bzw. das PLM-System übernommen werden. „Unser Ziel ist es, künftig keine Zeichnungen mehr im PLM zu haben, sondern nur noch Modelle und Informationen, aus denen dann die Darstellungen abgeleitet werden können“, sagt Ortiz abschließend. „Das PLM-Projekt soll uns helfen, die Weichen in Richtung Digitalisierung und Industrie 4.0 zu stellen.“

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