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Quo Vadis PLM oder welche Plattform soll es sein?

Von Bernd Pätzold

Die PLM-Welt befindet sich im Umbruch. Was sich im letzten Jahr schon andeutete, ist inzwischen zur Gewissheit geworden. Unklar ist, wohin uns dieser Wandlungsprozess führen wird. Wie disruptiv die Kraft der schöpferischen Zerstörung (Schumpeter) ist, lässt sich immer erst im Nachhinein erkennen, wenn das Neue in der Welt ist. Sonst wären Sony und Nokia nicht so einfach von Apple überholt worden. Werden wir künftig überhaupt noch von PLM sprechen? Werden wir es an den Universitäten noch studieren können?

An den deutschen Hochschulen, die sich im Rahmen der ingenieurwissenschaftlichen Studiengänge mit dem Thema PLM beschäftigen, steht ein Generationswechsel an: „Urgesteine“ der PLM-Wissenschaft wie die Professoren Michael Abramovici, Reiner Anderl, Martin Eigner, Jürgen Gausemeier oder Sandor Vajna stehen kurz vor der Pensionierung oder befinden sich schon im „Unruhestand“. Ihre Nachfolger werden neue Akzente in Forschung und Lehre setzen, und das ist auch richtig so. Aber es führt natürlich dazu, dass der PLM-Technologie wichtige Fürsprecher verloren gehen, die das Thema in den letzten Jahrzehnten nicht nur wissenschaftlich begleitet, sondern es auch in die Industrie getragen haben. Dafür gebührt Ihnen unser aller Dank.

Digitale Transformation, Internet of Things (IoT), Industrie 4.0, Digital Twin und Digital Thread – die vielen neuen Themen werfen die Frage auf, ob PLM – so wie wir es kennen – für diese Herausforderungen noch die richtigen Lösungen bereit hält bzw. wie Future PLM-Lösungen aussehen müssen, um darauf eine Antwort geben zu können. Aus dem Markt erhalten die IT-Verantwortlichen der Unternehmen höchst widersprüchliche Signale: Für die einen (PTC) ist PLM jetzt IoT, für die anderen (Aras) hat IoT sehr wenig mit PLM zu tun, wie Aras-CEO Peter Schroer neulich im Interview sagte. Ja was denn nun?

Kein Zweifel, PLM ist in die Jahre gekommen und braucht eine Verjüngungskur, um überleben zu können. Mancherorts wird es schon für tot erklärt, doch zum Glück leben Totgesagte länger. Der Abgesang hängt auch damit zusammen, dass PLM dem Anspruch, den Lebenszyklus des gesamten Produkts und nicht nur den seiner mechanischen Bestandteile von der Wiege bis zur Bahre zu begleiten, nie wirklich gerecht geworden ist. Entweder weil die meisten Unternehmen die Technologie nie konsequent implementiert und genutzt haben, oder weil die Implementierung in vielen Fällen so zeitaufwendig und kostspielig war, dass sich die Investition nicht rentierte. Von den Unterhalts- und Update-Kosten für die PLM-Installationen mal ganz zu schweigen. Daran sind die PLM-Hersteller nicht ganz unschuldig.

Statt sich jedoch auf das Naheliegende zu besinnen, suchen viele in den Weiten des IoT nach neuen Wachstumschancen, weil sie den PLM-Markt für gesättigt halten. Irrtümlicherweise, wie ich meine und wie unsere Erfahrungen zeigen, weil viele kleinere und mittlere Unternehmen noch nicht einmal den Schritt vom Produktdaten- zum Product Lifecycle Management vollzogen haben. Sie werden durch die vielen neuen Schlagworte eher verwirrt. Paradoxerweise empfinden gerade die Hersteller, die damals den PLM-Begriff mitgeprägt haben, um einen gemeinsamen Nenner für ihre wachsende Produktpalette zu haben, ihn heute als zu eng. Zu eng verwoben mit der Engineering-Nische, aus der sie ausbrechen möchten.

Unter maßgeblicher Beteiligung der PLM-Analysten von CIMdata wird gerade der PLM-Begriff umgedeutet: „Product Innovation Platform“ heißt die neue Zauberformel, die mit Konnektivität all die Herausforderungen bei der Digitalisierung von Produktentwicklung, Fertigung und Betrieb lösen soll, die PLM in den letzten 15-20 Jahren nicht zu lösen geschafft hat. Als ob das „Re-Branding“ die technischen Hürden und die mangelnde Offenheit vieler PLM-Lösungen mit einen Schlag beseitigen würde.

Plattform ist bestimmt das am meisten benutzte Schlagwort der letzten zwölf Monate. Alle reden davon, auch wenn jeder etwas anderes darunter versteht. Bei Siemens PLM heißt sie Digital Innovation Platform; bei PTC Industrial Innovation Platform, womit eigentlich die IoT-Plattform ThingWorx gemeint ist; Dassault hat schon vor Jahren seine 3DEXPERIENCE-Plattform lanciert und Aras lässt sich von CIMdata den Begriff der Product Innovation Platform auf den Leib schneidern. Für Außenstehende ist nicht immer einfach zu erkennen, welche Hersteller ihre PLM-Lösungen schon konsequent umgebaut haben und welche ihre bestehende Architektur nur um zusätzliche Anbauten ergänzen.

Das Plattform-Konzept ist grundsätzlich nicht schlecht. Ein zuverlässiges Fundament, das bestimmte Basisfunktionen bereitstellt und im Sinne der bimodalen IT schnell um Bausteine für bestimmte Aufgabenstellungen erweitert werden kann, die auch mal ein bisschen unfertig sein dürfen, ohne dadurch die Stabilität des Gesamtsystems zu gefährden. Eine Architektur, die so offen ist, dass sie Verwendung von Bausteinen fremder Hersteller erlaubt, und die über semantische Netze die intelligente Verlinkung der Informationen ermöglicht. Das ist im Wesentlichen die Idee einer zukunftsfähigen PLM-Bebauung, wie sie auch in den Future PLM-Thesen konzipiert wird. Eine Idee, die immer mehr Unternehmen aufgreifen, weshalb die Investitionen in den Umbau ihrer PLM-Systemlandschaften in den nächsten Jahren deutlich steigen werden.

Eine offene und flexibel erweiterbare PLM-Architektur ist Voraussetzung für Digitalisierung der Geschäftsprozesse und die Unterstützung neuer, serviceorientierter Geschäftsmodelle im Sinne von Industrie 4.0. Diese Geschäftsprozesse müssen mit Blick auf die digitale Herausforderung ebenfalls umgestaltet werden, was in erster Linie eine Aufgabe der Unternehmen ist. Wir von PROSTEP können Sie dank unserer langjährigen Erfahrung in der PLM-Strategie und –Prozessberatung dabei aber sehr gut unterstützen. Und wir können Ihnen helfen, den geeigneten Bebauungsplan für eine zukunftsfähige PLM-Architektur zu entwerfen. Wir bleiben mit gutem Gefühl DIE PLM-Experten, auch wenn PLM morgen anders heißen sollte. Denn wie heißt es bei Faust so schön: „Gefühl ist alles; Name ist Schall und Rauch.“

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