Frage: Herr Dr. Bettenhausen, können Sie HARTING kurz vorstellen?
Bettenhausen: HARTING ist ein weltweit führender Anbieter von Connectivity-Lösungen zur Übertragung von Daten, Signalen und Energie in Automatisierungstechnik, Maschinenbau, Robotik und, ganz wichtig, in der Bahntechnik. Außerdem liefern wir komplette Kassenzonen und sind in der Automobiltechnik mit Aktuatoren, Magnetsystemen etc. tätig. Unser großer Wachstumsmarkt hier ist die Stromübertragung für Elektro-Fahrzeuge mit On-board-Ladekabeln sowie Ladekabeln und Connectivity-Lösungen für Ladesäulen. Wir sind Tier 1-Supplier des VW-Konzerns, z.B. für das gekühlte Schnelladen des Porsche Taycan.
Frage: HARTING hat Corona erfolgreich getrotzt und im letzten Jahr ein leichtes Umsatzwachstum erzielt. Was waren die Erfolgsfaktoren?
Bettenhausen: Erstens, nahe am Kunden und an den Märkten zu sein und schnell auf ihre Anfragen zu reagieren. Der zweite Faktor ist ein solides Verantwortungsbewusstsein. Wir haben dafür gesorgt, dass unsere Mitarbeitenden sicher arbeiten können, egal ob im Büro, in der Produktion, den Testlabors oder der Logistik, und dadurch unsere Lieferfähigkeit zu jedem Zeitpunkt aufrechterhalten. Dritter Faktor ist, dass wir unsere gesamte Marktkommunikation schnell umgestellt haben.
Frage: In welchen Branchen und Märkten verzeichnen Sie das größte Wachstum?
Bettenhausen: Ein Bereich ist sicher die Elektromobilität, die im letzten Jahr in Deutschland auch durch begleitende Maßnahmen richtig Schwung aufgenommen hat. Prozentual haben wir hier die größten Zuwachsraten verzeichnet. Wir sind aber auch im Bereich Transportation/Bahntechnik, in der Automatisierung und der Logistik gewachsen. Wenn wir in einer Zeit, in der viele Unternehmen schrumpfen, ein Wachstum erzielen, dann bedeutet dies, dass alle dazu beigetragen haben.
Frage: Sie sind kürzlich eine Kooperation mit dem MIT eingegangen. Welche Impulse versprechen Sie sich davon?
Bettenhausen: Wir versprechen uns davon, Partner für die Collaboration und Co-Creation zu finden. Das MIT ist eine der Topadressen weltweit, wenn Sie über den Tellerrand hinausschauen wollen. Das Ökosystem im Nordosten der USA ist ein bewusster Gegenpool mit seinem Hardware-Bereich zum Silicon Valley. Unternehmen, die über das Industrial Liaison Program Teil dieses Ökosystems sind, finden schneller zusammen, um gemeinsam Aufgaben zu lösen oder erste Prototypen zu entwickeln.
Frage: Wie innovativ ist HARTING? Wie jung sind Ihre Produkte im Schnitt?
Bettenhausen: Wir haben in allen Bereichen eine hohe Quote an neuen Produkten. Aber auch die Produkte, die unsere Kunden seit Jahren kennen und schätzen, entwickeln wir kontinuierlich weiter. Den HARTING-Steckverbinder HAN, den wir Ende der 50er Jahre patentiert haben, gibt es bis heute in unzähligen Varianten. Er wird ständig um neue Module wie z. B. ID-Module oder Stromsensoren und neue Leistungsgrößen erweitert.
Frage: Vor welche Herausforderungen steht HARTING in der Produktentwicklung? Wie global ist die Produktentwicklung?
Bettenhausen: Wir haben global verteilte Mannschaften, um die Entwicklung ganz nah bei und gemeinsam mit den Kunden voranzutreiben, auch wenn der Schwerpunkt der Entwicklung heute noch in Deutschland liegt. Das heißt in einem schnellen Austausch die Anforderungen der Kunden aufnehmen und selbst innovative Antworten entwickeln.
Frage: Sind Steckverbinder denn keine Standard-Produkte?
Bettenhausen: Wir haben die gesamte Bandbreite. Basis sind Standard-Steckverbinder aus dem Katalog mit einem modularen Konzept, die Sie entsprechend Ihrer Anforderungen konfigurieren können. Und es setzt sich fort im Geschäftsbereich der Customised Solutions, wo wir die komplette Lösung gemeinsam mit dem Kunden entwickeln. Schönes Beispiel sind die Jumper-Kabel zwischen zwei Eisenbahn-Waggons, bei denen jeder Waggon-Hersteller seine Präferenzen, was und wie er Daten, Signale und Energie austauschen möchte.
Frage: Was bedeutet diese Bandbreite für Ihre Digitalisierungsstrategie?
Bettenhausen: Sie muss entsprechend flexibel sein. Eine Digitalisierungslösung von der Stange hilft uns nur für unsere Standard-Produkte - bei allem anderen brauchen wir Flexibilität. Das fängt bei unseren Kolleginnen und Kollegen an, die erst mal die Aufgabe verstehen müssen, die sie gemeinsam mit dem Kunden in eine Lösung umsetzen sollen. Um das planen und produzieren zu können, sind außerdem entsprechend flexible PLM-Werkzeuge erforderlich.