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MEYER Gruppe und PROSTEP evaluieren PLM-Standardfunktionalitäten für den Schiffbau

Von Jan Bitomsky

Die MEYER Gruppe ist in der Lage ihre meisten Prozesse rund um das Thema Zeichnungsmanagement mit den Standardfunktionen von ENOVIA zu unterstützen. Das ist die wichtigste Erkenntnis eines umfassenden Proof of Concept (PoC), den die Schiffbau-Experten von PROSTEP zusammen mit der Werft durchgeführt haben. MEYER will durch eine stärker standardisierte PLM-Lösung den Aufwand für Anpassungen und Updates reduzieren.

Die MEYER Group ist einer der führende Hersteller von Kreuzfahrtschiffen mit Werft-Standorten in Papenburg, Rostock und im finnischen Turku. Die Werften nutzen für die Erzeugung und Verwaltung der schiffbaulichen Informationen unterschiedliche IT-Systeme, die in Zukunft stärker harmonisiert werden sollen. In Papenburg und Rostock ist für das Zeichnungsmanagement z.B. noch eine AS/400-basierte Mainframe-Anwendung zusammen mit zwei an ausgewählte Prozessschritte angepassten ENOVIA-Versionen im Einsatz. Die Anwendungen sind stark kundenspezifisch angepasst und laufen allmählich aus der Wartung, weshalb MEYER sie durch eine möglichst unternehmensweit einsetzbare OOTB-Lösung (Out of the Box) ersetzen möchte. Die Idee, die bestehende Mainframe-Funktionalität eins zu eins in der neuen Umgebung nachzubilden, wurde neben anderen Gründen als zu kostspielig und nicht zielführend verworfen.

OOTB bedeutet in diesem Zusammenhang, dass in einer Software keine Anpassungen programmiert werden müssen, die über bereits durch den Hersteller in der Plattform vorgesehene Konfigurationen hinausgehen, um die erforderlichen Features und Funktionen bereitzustellen. Es heißt aber nicht, dass gar keine kundenspezifischen Anpassungen mehr möglich sind. Der Vorteil für die Anwender ist, dass sie alle erforderlichen Funktionen praktisch aus dem Stand nutzen können, während die IT-Abteilung die installierten Anwendungen einfacher auf neue Versionen upgraden kann. Allerdings müssen die Anwender in Kauf nehmen, dass die Lösung eventuell nicht alle schiffbauspezifischen Prozesse wie gewohnt unterstützt bzw. dass Modifikationen an bestehenden Prozessen erforderlich sind.

Die Kernfrage war deshalb, ob und wieweit die Funktionalität der Dassault-Lösung als OOTB für die schiffbaulichen Prozessanforderungen der MEYER WERFT geeignet ist. Um das herauszufinden, beauftragte das Unternehmen die Experten von PROSTEP mit der Durchführung eines PoC. Als Generalunternehmer brachten sie ihre Projektmanagement-Erfahrungen und ihre Kenntnis der kundenspezifischen Prozesse bei MEYER in das Projekt ein, während PROSTEP-Partner CENIT das erforderliche ENOVIA-Know-how beisteuerte. Beide Unternehmen arbeiteten bei dem PoC über mehrere Monate sehr effizient zusammen, obwohl der Schiffbau für die CENIT-Mitarbeiter Neuland war.

Zusammen mit den Anwendern bei MEYER analysierte das Projektteam die Prozesse in den Legacy-Systemen und definierte die Anwendungsfälle, die durch ENOVIA bzw. die 3DEXPERIENCE-Plattform aus dem Stand unterstützt werden sollten. Diese Prozesse enthalten z.T. speziell auf die Schiffstopologie zugeschnittene Automatismen. Das Projektteam untersuchte, ob die beschriebenen Prozesse grundsätzlich OOTB abbildbar sind, welche Standard-Objekte und -Funktionen dafür erforderlich sind, wie sich die Nutzung der Standardfunktionen auf die Prozesse auswirkt und an welchen Stellen sich gegebenenfalls Lücken zwischen der früheren und der neuen Arbeitsweise auftun. Die wesentlichen Funktionen, die in Betracht kamen, waren das Projektmanagement mit Meilensteinen und Tasks, das Dokumentenmanagement mit Versionsverwaltung, die Klassifizierung und die Möglichkeit, die Dokumente zur Freigabe an bestimmte Personen zu verteilen.

Das methodische Vorgehen stieß bei den Anwendern auf große Akzeptanz. Es zeigte sich, dass sie die meisten Aufgaben beim Zeichnungsmanagement mit den Standard-Funktionen erledigen können. Was OOTB fehlt ist die automatische Zuordnung der ENOVIA-Objekte zur Schiffstopologie, d.h. zu dem Block, in dem sich der betreffende Anwender gerade bewegt. Ein paar Lücken gibt es auch an der Nahtstelle zum Planungssystem für den Schiffsentwicklungsprozess, die durch Programmierung einer Schnittstelle geschlossen werden müssen. Außerdem muss der Excel-Import erweitert werden, um die Zeichnungslisten mit Tausenden von Zeichnungen je Projekt in die neue Umgebung importieren zu können.

An manchen Stellen im Prozess müssen die Anwender ihre Arbeitsweise ändern, um ENOVIA weitgehend OOTB nutzen zu können. So verwaltet die Software Zeichnungen bzw. die Metadaten anders als das Legacy-System, in dem sie als ein Objekt zusammen mit Planungsdaten wie Meilensteinen, Terminen etc. abgelegt werden. Das Projektteam traf deshalb die Entscheidung, die Planungs-Aspekte von der Zeichnungsverwaltung zu trennen und dafür die Projektmanagement-Funktionen aus dem ENOVIA-Standardumfang zu nutzen. Die Trennung hat unter anderem den Vorteil, dass Aufgaben unabhängig von der Zeichnung definiert und den Planungsdaten künftig auch 3D-Modelle und andere projektrelevante Unterlagen zugeordnet werden können. An anderer Stelle konnte das Projektteam aus dem Standard zusätzliche Funktionen bereitstellen, beispielsweise für die schiffs- bzw. projektspezifische Klassifizierung von bestimmten Dokumenten als Arbeitsstandard. Das war bislang in dieser Form nicht möglich.

Der Fokus des Projektes wurde mehrfach erweitert, wodurch das ursprünglich auf drei bis vier Monate ausgelegte Projekt am Ende fast ein ganzes Jahr dauerte. Im Rahmen der Erweiterungen erhielt das Projektteam den Auftrag, die Tauglichkeit der OOTB-Lösung auch für das Zeichnungsmanagement am Standort Turku zu prüfen, wo andere IT-Systeme im Einsatz sind. Die PLM-Experten von PROSTEP kamen zu dem Schluss, dass die OOTB-Lösung dafür grundsätzlich geeignet ist, empfahlen allerdings für eine einfachere Implementierung die Harmonisierung zu priorisieren.

Nach dem erfolgreichen Abschluss des PoC hat MEYER mit der Vorbereitung der Implementierung begonnen. „ENOVIA OOTB ist für die gesamte MEYER Group ein sehr wichtiges und auch zukunftsweisendes Thema“, sagt Executive Board Member und Konstruktionsleiter der MEYER WERFT Malte Poelmann. „Eine digitale und standortübergreifende Zusammenarbeit innerhalb der Gruppe in einer wartbaren PLM-Plattform zu ermöglichen, war die Motivation für dieses Projekt. Die Consultants der Firma PROSTEP und ihres Partners CENIT haben mit Ihrem Branchen- und PLM-Fachwissen entscheidend zum Projekterfolg beigetragen.“

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