Model Based Definition (MBD) bzw. Model Based Enterprise (MBE) ist in aller Munde. Das Konzept zielt darauf ab, die normalerweise in den Zeichnungen steckenden Informationen für Qualitätskontrolle, Fertigung und andere Aufgaben als PMI am 3D-Modell anzubringen und auf die Zeichnungserstellung nach Möglichkeit ganz zu verzichten. Erste Erfahrungen mit der Umsetzung des Konzepts sammelt Continental gerade im Rahmen verschiedener Pilotprojekte im Automotive-Bereich des Unternehmens, wie Constantin von Bernuth, IT Expert for Mechanical Product Design bei Continental, erläutert.
Mit einem Jahresumsatz von 39,2 Milliarden Euro und rund 215.000 Mitarbeitern ist der Continental-Konzern eines der größten Technologieunternehmen der Welt. Gegründet vor über 140 Jahren, entwickelt, fertigt und vermarktet das Unternehmen an 430 Standorten in 55 Ländern innovative Lösungen für sichere Mobilität, intelligentes Fahren, weltweite Mobilität und umweltschonenden Antrieb. Der Konzern mit Hauptsitz in Hannover unterteilt sich in die Divisionen Interior, Powertrain, Chassis & Safety, Reifen und ContiTech. Wie viele Automobilzulieferer hat Continental eine heterogene CAD-Landschaft mit PTC Creo und DS CATIA V5 als den beiden führenden Mechanik-Systemen.
Die MBD-Initiative wurde zum einen getrieben durch das Prüfwesen, das effizientere Wege zur Ansteuerung der CT-Scanner und anderer Messgeräte suchte, und zum anderen durch die Ankündigung zahlreicher Automobilhersteller, in absehbarer Zeit auf Zeichnungen verzichten zu wollen. Es ging nicht in erster Linie darum, den Aufwand für die Zeichnungserstellung zu reduzieren, sondern um die Zeitvorteile in den Folgeprozessen, wie von Bernuth betont: "Die Einsparungen sind nämlich nicht so groß, weil man vieles, was man früher in der Zeichnung eintrug, ja auch am 3D-Modell eintragen muss." Nach Untersuchungen von Continental konnten zehn bis 15 Prozent der Annotationen dadurch eingespart werden, dass einzelne Elemente nicht mehrfach in verschiedenen Ansichten erzeugt werden mussten.
Auswertung der PMI-Informationen
Beim Aufbau des zeichnungslosen Prozesses orientierte sich Continental an der VDA-Richtlinie 4953-2, die einen Referenzprozess von der Erstellung der Nutzdaten im CAD- bzw. PLM-System über die Erzeugung und Verteilung der 3D-Dokumente bis zur Dokumentennutzung in verschiedenen Use Cases beschreibt. Ergänzend dazu gibt die DIN ISO 16792 vor, wie Maße, Toleranzen und andere PMI an 3D-Modellen anzubringen sind. Die Norm schreibt beispielsweise vor, dass sie selektierbar sein müssen, d. h. nicht alle Elementtypen wie Bezüge, Toleranzen oder Oberflächengüte in einer (isometrischen) Ansicht liegen dürfen. Zusätzlich kann man aber 2D-Detailansichten erzeugen, in denen sie gemischt sein können.
Einer der Use Cases für den zeichnungslosen Prozess, der bei Continental schon vor mehreren Jahren implementiert wurde, ist die Qualitätskontrolle. Dazu übergibt man die PMI aus Creo an die Scan-Software, um zu prüfen, ob die geometrischen Toleranzen des Ist-Modells den Sollvorgaben entsprechen. Abweichungen werden an einem Fehlfarbenmodell kenntlich gemacht und in einem Report gelistet. Es handelt sich wohlgemerkt nicht um einen Geometrievergleich von CAD- und Scanmodell, sondern um den Vergleich von Soll- und Istwerten, der viel präziser ist. "Früher mussten wir die Toleranzen am Scanmodell neu eingeben, was mit einem erheblichen Zeitaufwand verbunden war", erzählt von Bernuth. "Er hat sich durch die automatische Übergabe der PMI-Informationen deutlich verkürzt."