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Multi-CAD ist der Schlüssel zur Gestaltung unserer künftigen CAD/PLM-Umgebung

Ein Interview mit Jan Meyer

Die Meyer Group, einer der weltweit führenden Hersteller von Kreuzfahrt-Schiffen, macht sich das Plattform-Konzept zu eigen, um unterschiedlich aussehende Schiffe auf einer gemeinsamen technischen Grundlage zu entwickeln und zu produzieren. Die native-CAD-Konvertierung durch PROSTEP war ein Schlüsselfaktor für die Wiederverwendung der Konstruktionsdaten der Meyer Werft aus Papenburg bei der Meyer Turku-Werft in Finnland. Geschäftsführer Dr. Jan Meyer erklärt die Herausforderungen des innovativen Ansatzes beim Schiffbau.

Frage: Welches sind die wesentlichen Herausforderungen für die Meyer Group im globalen Markt für Kreuzfahrtschiffe?

Meyer: Unsere Herausforderungen sind, dass wir gemäß den individuellen Anforderungen unserer Kreuzfahrtschiff-Kunden mit ihrer Bandbreite von Angeboten für unterschiedliche Arten von Passagieren sehr kundenindividuelle Produkte bauen müssen. Die Schiffe müssen ein aufregendes Erlebnis und spektakuläre Räumlichkeiten bieten, aber gleichzeitig sparsam mit dem Platz umgehen. Sie müssen sich kosteneffizient bauen lassen, gut aussehen, sicher sein und mit der neusten Technologie wie z.B. Glasfaser und Wifi ausgestattet sein. Und sie müssen die immer anspruchsvolleren Anforderungen hinsichtlich Energieeffizienz erfüllen. Das alles führt zu sehr kostenbewussten Konstruktionsanstrengungen, die wir in enger Zusammenarbeit mit unseren Kernkunden realisieren müssen.

Frage: Ist Zeitdruck nicht auch eine große Herausforderung im Schiffbau?

Meyer: Zeitdruck herrscht bei jedem Projekt. Normalerweise haben wir nicht mehr als drei Jahre Zeit für das erste Schiff einer neuen Klasse, von der Vertragsunterzeichnung bis zur Auslieferung. Das bedeutet, dass wir bereits mit dem Bau bestimmter Segmente beginnen, bevor die Konstruktion des gesamten Schiffs abgeschlossen ist. Konstruktion und Produktion überlappen sich sehr stark. Andernfalls wäre es nicht möglich, die Schiffe rechtzeitig auszuliefern, denn Sie müssen sich vorstellen, dass so ein Kreuzfahrtschiff so groß ist wie 1.000 Einfamilienhäuser zusammen.

Frage: Was zeichnet Ihre Kreuzfahrtschiffe besonders aus?

Meyer: Wir bieten definitiv den größten Mehrwert, das beste Design und eine Top-Qualität, wir bauen sie auf eine kosteneffiziente Art und Weise und wir liefern sie zuverlässig zum vereinbarten Zeitpunkt aus. Die Grundlage dafür ist eine korrekte Datenbasis der Konstruktionsdaten, was eine multi-disziplinäre CAD-Collaboration erfordert.

Frage: Welches waren die Treiber hinter der Idee, eine gemeinsame Plattform für mehrere Schiffe zu entwickeln?

Meyer: Die Carnival Corp., einer unserer großen Kunden, benötigte mehrere Schiffe für ihre unterschiedlichen Marken, die unterschiedliche Zielgruppen und -märkte ansprechen. Sie suchten nach Skalen- und Synergieeffekten, nicht nur beim Bau, sondern auch im späteren Betrieb der Schiffe. Deshalb kamen sie auf die Idee, sehr unterschiedliche aussehende Schiffe auf derselben technischen Grundlage zu bauen. Die Passagiere werden die Schiffe als einzigartig erleben, weil Sonnendecks, öffentliche Bereiche etc. komplett anders aussehen, obwohl der Unterbau der gleiche ist.

Die besondere Herausforderung bestand darin, dass das erste Schiff für AIDA Cruises in Papenburg gebaut werden soll, während die COSTA-Schiffe in Turku gebaut werden. Aufgrund der vereinbarten Lieferzeit, mussten wir mit der Konstruktion für die COSTA-Linie anfangen bevor die Konstruktion der AIDA abgeschlossen war. Da die öffentlichen Bereiche der beiden Schiffe sehr unterschiedlich sind, mussten wir außerdem in der Lage sein, die originalen Konstruktionsdaten mit unterschiedlichen CAD-Tools sehr stark zu verändern. Das war der Grund, warum wir PROSTEP bei der Datenkonvertierung um Hilfe baten.

Frage: Welches sind die Nutzeneffekte des Plattform-Konzepts für die Meyer Group?

Meyer: Ohne darauf im Detail eingehen zu wollen, profitieren auch wir in Engineering, Einkauf und Fertigung von den Skaleneffekten. In diesem Sinne ist es eine Win-Win-Situation für den Kunden und die Meyer Group.

Frage: Wie wurde Ihre PLM-Strategie durch das Plattform-Konzept beeinflusst?

Meyer: Da das Lieferdatum für die Schiffe unverrückbar war, standen wir unter einem großen Zeitdruck und mussten erst einmal das Konvertierungsproblem lösen, was aufgrund der Größe unserer Produkte und der Vielzahl der in den Konstruktionsprozess involvierten Disziplinen eine echte Herausforderung war. Wir untersuchten zwei Alternativen: Eine war die Nutzung eines nativen Konverters für den Direktexport der CATIA V4-Daten aus Papenburg an die CAD-Systeme AVEVA und Cadmatic, die in Turku genutzt werden; die zweite ein neutraler Konverter. Zu meiner Überraschung war der neutrale Konverter nicht in der Lage, alle erforderlichen Informationen zu übertragen, während der von PROSTEP entwickelte native sehr gut funktionierte. Ich hätte gedacht, dass die native Format-Konvertierung viel komplizierter sein würde als sich nachher herausstellte.

Frage: Wie wird der PROSTEP-Konverter Ihre künftige PLM-Umgebung unterstützen?

Meyer: Zum einen hat uns der Vergleich der unterschiedlichen CAD-Systeme beider Werften in Vorbereitung des Konvertierungsprozesses geholfen, unsere gemeinsame CAD- und PLM-Strategie zu definieren. Auf der anderen Seite wird der PROSTEP-Konverter, bei dem es sich eigentlich um zwei wirklich native Konvertoren handelt, auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Wir müssen multi-CAD-fähig sein, um zu einer moderneren und homogeneren CAD/PLM-Umgebung zu migrieren. Multi-CAD-Fähigkeit ist von strategischer Bedeutung für unsre künftige CAD/PLM-Architektur, weil wir ja auch unseren Stamm an Zulieferern mit ihren heterogenen CAD-Umgebungen integrieren müssen. Nicht zu vergessen unsere Kunden, die von uns die Unterstützung ihrer speziellen CAD-Systeme verlangen.

Frage: Gibt es aus Ihrer Sicht als Schiffbauer zusätzliche Anforderungen an die Hersteller kommerzieller CAD- und PLM-Systeme?

Meyer: Wir benötigen eine multi-disziplinäre Umgebung für viele Beteiligte, die die Zusammenarbeit nicht nur in technischer, sondern auch in geschäftlicher Hinsicht unterstützt. Aus diesem Grund ist Offenheit eine unserer Kernanforderungen.

Frage: Benötigen Sie mehr Funktionalität für die unternehmensübergreifende Zusammenarbeit in Ihrer PLM-Umgebung?

Meyer: Auf jeden Fall. Sie wird in Zukunft immer wichtiger werden, weil wir in einem echten Ökosystem arbeiten. Unser Anteil an der Wertschöpfung liegt zwischen 15 und 25%, der restliche Anteil entfällt auf Lieferanten von schlüsselfertigen Paketen und Dienstleistungen, die wir einkaufen. Das erfordert eine intensive Zusammenarbeit, und wir werden sicher nicht alle Beteiligten bewegen können, dieselben Systeme einzusetzen. Es ist für uns ganz interessant zu beobachten, wie die Bauindustrie mit der BIM-Technologie als gemeinsamem Austauschstandard einen etwas anderen Pfad eingeschlagen hat. Aber die Unternehmen haben hier andere Anforderungen, weil die Partner ständig wechseln, während wir im Schiffbau ein relativ stabiles Lieferanten-Netz haben. Das erlaubt es uns, mehr in die Collaboration-Technologie zu investieren.

Frage: Wie weit sind sie bei der Zusammenarbeit mit Lieferanten, Klassifizierungsgesellschaften etc. mit der Digitalisierung vorangekommen?

Meyer: Wir interagieren gegenwärtig mit den meisten unserer Collaboration-Partner auf Lieferanten- und Kundenseite in digitaler Form, auch wenn das Niveau der Interaktion sicher noch erhöht werden kann. Wenn es Sinn macht. Ich mag die Diskussion über papierlose Prozesse nicht allzu sehr, weil wir die geeigneten Tools und Medien für den jeweiligen Zweck benötigen. Digitalisierung um ihrer selbst willen ist nicht zielführend. Papier ist immer noch eine Alternative, weil es eine Reihe von Vorteilen in punkto Lebensdauer, Nutzbarkeit und Auflösung hat. Dessen ungeachtet, werden wir Papier mehr und mehr reduzieren und auf den digitalen Master umsteigen. Wir nutzen den digitalen Master heute schon in den beiden Werften, aber er enthält noch nicht alle Informationen unserer Subunternehmer.

Frage: Betrachten Sie PROSTEP als Teil des Ökosystems, als einen langfristigen Partner für die Digitalisierung?

Meyer: Wir sind in fruchtbaren Gesprächen mit PROSTEP darüber wie wir einige der Technologien, die das Unternehmen entwickelt hat, wieder verwenden und noch mehr Nutzen aus unserer langjährigen Partnerschaft und unseres gegenseitigen Verständnis ziehen können, um unsere Multi-CAD-Vision zu verwirklichen. Es wird vom Ausgang der Gespräche abhängen, aber wir hoffen, dass PROSTEP auch in Zukunft unser Partner sein wird.


Zur Person

Dr. Jan Meyer (Jahrgang 1977) ist einer der vier Mitglieder der Geschäftsleitung der Meyer Werft und seit 2014 Geschäftsführer der Meyer Turku-Werft. Als ältester Sohn von Geschäftsführer Bernard Meyer repräsentiert er die siebte Generation der bekannten deutschen Kreuzfahrtschiffbauer.

Jan Meyer arbeitet seit 2008 für das familiengeführte Unternehmen und war als Leiter Technik zuletzt für den kompletten Konstruktionsprozess der Kreuzfahrtschiffe verantwortlich. Als passionierter Schiffbauer hält er einen Doktortitel der Bremer Jacobs-Universität und sammelte vor seiner Doktorarbeit erste berufliche Erfahrung auf Werften in Korea und Dänemark.

Außerdem absolvierte er ein Masterstudium in Naval Architecture (Schiffbau) am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge/Boston, USA.

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